Elena - Ein Leben für Pferde
anfangen?«
»Ja, klar.«
»Meine durchschnittliche Gurke von Pferd interessiert dich wohl gar nicht«, meldete sich nun Melike zu Wort und tat gekränkt.
»Oh, entschuldige bitte!« Tim wandte sich zu ihr um. »Äh, dein Pferd ist doch keine Gurke, ich … äh … tut mir leid …«
Wurde er tatsächlich ein bisschen rot? Melike gluckste belustigt.
»Schon gut«, sagte sie. »Jasper ist halt nicht so ein Hingucker wie Fritzi. Ich binde ihn grad mal an, dann kann ich dir helfen.«
Ich begann zu traben, dann galoppierte ich an. Tim stand in der Mitte der Wiese und ließ mich nicht aus den Augen. Es war das erste Mal, dass ich richtigen Unterricht bekam; das wurde mir in dem Augenblick bewusst, als Tim mir zurief, ich solle die Zügel kürzer fassen und das Gesäß am Sattel lassen. Nie hatte Papa mir Unterricht gegeben, ich war immer nur in seinen Springstunden oder den Reitstunden bei Opa mitgeritten, ohne dass man mir jemals größere Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Wenn ich es mir so richtig überlegte, so hatte ich mir das Reiten mehr oder weniger selbst beigebracht.
»Okay!«, rief Tim nach einer Weile. »Jetzt reit mal an das Kreuz! Aus dem Trab!«
Er hatte einen Kreuzsprung aufgebaut und eine Bodenstange davorgelegt. Bis zu diesem Moment war mir noch mein Albtraum im Kopf herumgespukt, aber als Fritzi nun die Ohren spitzte, sich brav zum Trab durchparieren ließ und schwungvoll auf das Kreuz zutrabte, fiel alle Angst von mir ab. Tim ließ uns ein paarmal das Kreuz aus dem Trab nehmen, dann legte er die Stangen in die Halterungen und ich musste abwechselnd aus dem Galopp über den kleinen Steilsprung und einen kleinen Oxer springen.
»Ja, so ist es super!«, rief Tim. »Keinen Druck machen, lass ihn einfach nur hingaloppieren! Ja! Perfekt!«
Ich merkte, dass ich lächelte. Fritzi schnaubte. Ihm machte es offenbar auch Spaß. Nun ging es durch die Sprungreihe. Kreuz, Steilsprung, Kreuz, Oxer. Bei jeder Runde erhöhten Melike und Tim die Hindernisse um zwei Löcher. Und ganz zum Schluss musste ich einen kleinen Parcours reiten. Fritzi sprang geschmeidig und aufmerksam, nicht ein einziges Mal berührte er eine Stange. Bis dahin hatte Tim noch nichts gesagt, aber als ich nach dem letzten Hindernis zum Schritt durchparierte und zu ihm hinüberritt, sah ich, dass er breit grinste.
»Sensationell!«, rief er. »Echt, Elena, der ist richtig gut! Und du reitest ihn spitze!«
Ich klopfte Fritzi den Hals und lächelte stolz. Erst dann fiel mir wieder mein Traum ein.
»Du meinst, er ist kein … Suppenhuhn?«
»Spinnst du?« Tim riss die Augen auf. »Du willst doch wohl dein Pferd nicht beleidigen! Nee, echt, dein Fritzi ist das Gegenteil von einem Suppenhuhn. Er ist vorsichtig und hat was drin.«
Lobesworte für mein Pferd! Wie gut das tat! Ich stieß einen erleichterten Seufzer aus. Tim schlenderte in Richtung Scheune und ich ritt neben ihm her. Er analysierte begeistert jeden einzelnen Sprung, den Fritzi gemacht hatte. Ich lauschte aufmerksam und stimmte ihm zu. Es war viel einfacher, mit Tim zu reden, wenn ich auf dem Pferd saß, fand ich.
»Danke«, sagte ich aus tiefstem Herzen, als wir an der Scheune angekommen waren. »Das war klasse. Du gibst super Unterricht.«
»Auch danke«, erwiderte Tim verlegen. »Macht mir Spaß, wenn dann alles so gut klappt.«
»So, jetzt reicht’s mit dem Süßholzraspeln.« Melike saß schon auf Jaspers Rücken, und Twix, der als wohlerzogener Reitstallhund brav am Rand des Platzes gewartet hatte, kam nun angeschossen und sprang an Fritzi hoch.
»Ich muss leider los«, sagte Tim. »Mein Vater hat um vier Kundschaft aus England, da muss ich ein paar Pferde vorreiten.«
»Wann trainieren wir das nächste Mal?«, fragte ich schnell. »Morgen?«
Papa war auf einem Turnier und Christian würde sicher mitfahren, also eine gute Gelegenheit.
»Ja, müsste klappen.« Tim nickte. »Gleiche Zeit, gleicher Ort?«
Ich nickte auch. Er stülpte sich seinen Helm über, setzte sich auf das Mofa und ließ es an. Ich blickte ihm nach.
»Und?«, fragte Melike. »Was meint er?«
»Er ist begeistert«, erwiderte ich nur.
»Hast du was anderes erwartet?« Melike grinste.
»Wenn ich ehrlich bin – ja.« Da musste ich auch grinsen.
Auf dem Weg zurück erzählte ich ihr von meinem Albtraum und wir bogen uns vor Lachen, bis uns die Tränen übers Gesicht liefen.
16. Kapitel
Vier Wochen lang blieb das Wetter gut genug, um dreimal in der Woche heimlich zu trainieren. Fritzi machte
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