Elena - Ein Leben für Pferde
radelten durch den herbstlichen Wald und bogen an einem Waldparkplatz in den schmalen Pfad ein, der direkt zum Waldsee führte. Hier gab es keine bequemen Wanderwege mehr und wir mussten vorsichtig fahren, um nicht zu stürzen, denn die Waldarbeiter hatten im vergangenen Herbst überall Äste liegen lassen.
Zwischen den Bäumen war es dämmrig und wir konnten schon von Weitem sehen, dass das Forsthaus noch immer bewohnt war, denn helles Licht fiel aus den geöffneten Fenstern.
»Scheiße«, murmelte ich und bremste.
Melike stoppte neben mir und wir versteckten unsere Fahrräder im Unterholz. Ich rief Twix und nahm ihn an die Leine, die ich mir um den Bauch gewickelt hatte. Wir pirschten uns durch den Wald näher heran. Erst in der letzten Ausgabe der Reiterrevue hatte wieder ein kurzer Bericht über Pferdediebe gestanden, die es in ganz Deutschland, Belgien und Holland auf jüngere Pferde mit guten Abstammungen abgesehen hatten.
Hinter einen Busch geduckt beobachteten wir eine Weile den Hof und mir fiel der Misthaufen auf, der in der kalten Luft dampfte. Es waren also noch immer Pferde da! Auf einmal hatte ich Angst.
»Komm, wir hauen lieber ab«, flüsterte ich.
»Quatsch!«, widersprach Melike. »Das schauen wir uns mal näher an.«
Bevor ich sie festhalten konnte, war sie schon auf den Hof geschlichen. Ich kämpfte ein paar Sekunden mit meinen Bedenken, aber ich konnte sie unmöglich allein lassen und rannte hinter ihr her. Ein schäbiger alter Pferde-Lkw stand mit heruntergelassener Seitenrampe hinter dem Haus, dicht daneben ein Auto mit einem Pferdehänger.
»Was sind denn das für Kennzeichen?«, wisperte Melike und deutete auf die Nummernschilder.
RE? SL? Keine Ahnung. Ich zuckte mit den Schultern und folgte Melike, die quer über den Hof zum Schuppen huschte. Die Tür stand offen, aber es war noch hell genug, um zu sehen, dass alle vier Boxen belegt waren.
»Letztes Mal waren es nur zwei Pferde«, sagte ich atemlos und betrachtete die Pferde, die uns ihrerseits neugierig und mit gespitzten Ohren ansahen. »Und es sind andere.«
»Bist du sicher?«
»Ganz sicher.« Ich nickte heftig.
»Ist ja krass!« Melike wanderte durch den kleinen Stall und streichelte eines der Pferde, das seinen Kopf über die hölzerne Trennwand schob. »Was machen die nur hier mit den Pferden? Ich meine, hier gibt’s keine Halle und keinen Reitplatz. Lassen die sie nur im Stall stehen?«
»Wahrscheinlich sind die Pferde nie lange da«, erwiderte ich und kämpfte mit Twix, der sich gegen die Leine wehrte, an die er nicht gewöhnt war. Er wollte lieber ein bisschen herumschnüffeln und Mäuse jagen.
In dem Moment knarrte eine Tür und Stimmen wurden laut. Ich erstarrte vor Schreck. Zum Weglaufen war es zu spät.
»Schnell!«, zischte ich Melike zu. »Da hoch, auf die Heuballen!«
In Windeseile kletterten wir auf die Ballen und krochen so weit nach hinten, wie es ging. Twix spitzte die Ohren.
»Halt bloß die Klappe!«, warnte ich meinen Hund und legte die Hand auf seine Schnauze.
Schwere Schritte polterten über die hölzerne Veranda und knirschten wenig später auf dem Kies. Es waren zwei Männer. Vor der Stalltür blieben sie stehen, einer zündete sich eine Zigarette an. Gegen das hellere Viereck der geöffneten Tür zeichneten sich ihre Konturen deutlich ab. Hoffentlich kamen sie nicht herein! Ich hielt die Luft an und duckte mich noch tiefer in das Heu.
»… ein bisschen wenig Platz hier«, sagte einer der Männer. »Das Geschäft würde noch viel besser laufen, wenn es zehn Boxen mehr gäbe.«
»Er will eben nicht«, erwiderte der andere Mann. »Schade drum. Er könnte ein Vermögen damit verdienen. Ich weiß allein in unserer Gegend mindestens zehn Pferde und mehr, die ich ihm besorgen könnte.«
Melike und ich starrten uns im Halbdunkel beklommen an. Es gab keinen Zweifel mehr – die beiden Männer sprachen über Pferde, die sie stehlen und hierherbringen wollten. Mich überlief es eisig kalt. Wenn sie uns entdeckten und merkten, dass wir sie belauscht hatten, würden sie uns auf keinen Fall einfach so laufen lassen!
»Ja«, sagte nun wieder der erste Mann. »Ich wüsste auch noch ein paar, sogar in Holland und Belgien. Aber solange er sich hier versteckt und den Förster spielt …«
Twix knurrte dumpf und versuchte, sich meiner Hand zu entziehen. Ich wagte nicht, etwas zu ihm zu sagen, und betete, dass er nicht loskläffen würde.
Endlich gingen die Männer weiter. Für einen Augenblick war es ganz
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