Elena - Ein Leben für Pferde
schrie ich verzweifelt hinter ihm her. »Bitte, Tim! Wir können das wirklich besser!«
»Vergiss es«, antwortete er und machte eine abwehrende Armbewegung. »Das hat mir gereicht. Da hat ja dein Scheißpony dreimal mehr drin!«
Mir strömten die Tränen über das Gesicht wie Sturzbäche, ich rutschte aus dem Sattel. Fritzi war weiß vor Schaum und ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn überhaupt zu diesem Hindernis hingeritten hatte. Und jetzt leckte er mir über das Gesicht, als ob er mich trösten wollte!
»Nicht!«, schluchzte ich. »Lass das, Fritzi! Du … du Suppenhuhn !«
Er hörte nicht auf zu lecken, egal wie ich mich auch drehte und wendete. Und dann schlug ich die Augen auf und begriff, dass ich das alles nur geträumt hatte, denn es war nicht Fritzi, der mich abschleckte, sondern Twix, der nun begeistert mit dem Schwanz wedelte und sich kaum beruhigen ließ.
Ich wälzte mich auf die Seite, um die Ziffern meines Weckers zu erkennen. Erst kurz nach drei, mitten in der Nacht!
»Danke, dass du mich geweckt hast, Twix«, flüsterte ich.
Mein Hund drängte sich dicht an mich, stieß ein behagliches Knurren aus und streckte sich. Ich atmete tief durch und wischte mir mit dem Handrücken den Angstschweiß von der Stirn. Nur ein böser Traum. Gott sei Dank!
Den ganzen Vormittag hatte ich äußerst angespannt verbracht; ich hatte keinen Bissen essen können und fühlte mich wie ein Pulverfass. Der nächtliche Albtraum hing über mir wie ein düsterer Schatten, und auch, wenn ich mir immer wieder sagte, dass alles Quatsch gewesen war, gelang es mir nicht, mich zu beruhigen.
Als Melike und ich uns um kurz nach zwei im Stall trafen, hatte sie noch immer nicht bei der Polizei angerufen, aber das war für mich absolut nebensächlich.
Papa war am frühen Morgen weggefahren, um einen Lehrgang zu geben, und Christian hockte in seinem Zimmer am Computer, deshalb putzte und sattelte ich Fritzi im Stall und nicht in der Scheune. Ich gab mir heute besondere Mühe, denn ich wollte, dass Tim den besten Eindruck von Fritzi bekam.
»Wenn du noch ein bisschen mehr von dem Fellglanzspray auf ihn draufsprühst, rutscht dir der Sattel runter«, warnte Melike mich. »Er glänzt doch sowieso schon wie eine Speckschwarte.«
Ich trat einen Schritt zurück und betrachtete mein Pferd kritisch. Melike hatte recht. Fritzis dunkelbraunes Fell schimmerte, seine vier Beine leuchteten schneeweiß, der schwarze Schweif fiel locker bis zu den Sprunggelenken. Wir sattelten, setzten unsere Reitkappen auf und führten die Pferde hinaus, um aufzusitzen. Twix umkreiste unsere Pferde mit begeistertem Gebell und hielt erst die Klappe, als klar war, dass er mitkommen durfte. Wenig später ritten wir Richtung Wald. Es war kalt, aber trocken – das ideale Wetter für unsere erste Trainingsstunde.
»Ich hab heute Nacht von diesem grässlichen, bärtigen Waldschrat geträumt«, sagte Melike nach ein paar Metern. »Ich sage dir, das war ein ätzender Traum! Die Polizei war bei meinen Eltern und hat meinen Vater verhaftet – wegen Verletzung der Aufsichtspflicht!«
Sie lachte auf. »Keine Ahnung, wie ich auf so was komme.«
Ich hörte schweigend zu, während sie mir haarklein ihren Albtraum schilderte, sagte aber keinen Ton über meinen, der so schrecklich realistisch gewesen war.
Um kurz vor drei erreichten wir die Wiese, und ich stellte insgeheim erleichtert fest, dass sie so eben und gerade war wie ein Fußballplatz.
Ein paar Minuten später tauchte Tim mit seinem Mofa auf, stellte es neben der Scheune ab und kam zu uns.
»Hey!«, rief er und grinste.
Ich dachte sofort an seine Verachtung, als Fritzi in meinem Traum wieder und wieder ausgerutscht war.
»Hey«, erwiderte ich. »Meinst du, ich brauche Stollen?«
Tim sah mich verwundert an und schüttelte den Kopf.
»Ist doch alles Sand unter dem Gras«, sagte er.
Unsere Gegend war für die Landwirtschaft nicht sonderlich gut geeignet, weil die Böden zu sandig waren. Ideal zum Reiten – schlecht für die Bauern.
Tim umrundete Fritzi und mich und betrachtete mein Pferd eingehend. Mein Pferd wiederum beäugte Tim misstrauisch. Als Tim seine Hand ausstreckte, um Fritzis Hals zu streicheln, legte er die Ohren an und machte einen Satz zur Seite.
»Oh!« Tim war erstaunt.
»Ist nicht persönlich gemeint«, entschuldigte ich das unhöfliche Benehmen meines Pferdes. »Aber seitdem er so schlimm krank war, kann er Fremde und besonders Männer nicht mehr leiden. Wollen wir
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