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Elena - Ein Leben für Pferde

Elena - Ein Leben für Pferde

Titel: Elena - Ein Leben für Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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sich von der Tür ab, ohne mich anzusehen, ohne auch nur Danke zu sagen.
    »Ich gebe Jens Bescheid«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen zu Christian. »Bringt Almiro, Lady Gaga und Phönix raus. So schnell, wie es geht. Vergiss die Pferdepässe nicht.«
    Damit verließ er mit großen Schritten den Stall.
    »Das gibt’s doch nicht«, murmelte mein Bruder fassungslos.
    Wenig später kam Jens in den Stall gelaufen und blickte verwirrt von Christian zu Opa und sogar zu mir.
    »Was ist denn los?«, fragte er.
    »Nimm du Almiro und Phönix«, befahl mein Bruder ihm. »Ich nehme die Stute. Aber mach die Decken ab, die gehören uns.«
    Ich sah schweigend zu, wie sie die Pferde aus den Boxen holten, die Stalldecken abnahmen und zur Stalltür führten.
    Und dann sah ich Tim. Er stand neben seinem Vater und machte ein Gesicht, als wünschte er sich tausend Kilometer weit weg. Unsere Blicke begegneten sich kurz, dann senkte er die Augen.
    »Los, hol die Pferde!«, sagte Richard Jungblut scharf.
    Tim gehorchte.
    »Wehe, du setzt auch nur einen Fuß in diesen Stall!«, knurrte Christian ihn hasserfüllt an. Er warf Tim den Führstrick von Lady Gaga zu. »Das Halfter und den Strick will ich wiederhaben.«
    Tim führte die Stute zum Lkw und verlud sie. Wenig später kehrte er mit Halfter und Führstrick zurück. Er vermied es, mich anzusehen, und ich verriet auch mit keinem Ton, dass wir uns weitaus besser kannten als erlaubt war. Richard Jungblut rührte keinen Finger und sah mit einem zufriedenen Grinsen zu, wie sein Sohn ein Pferd nach dem anderen auf seinen Lkw führte, Jens die Stricke und Halfter in die Hand drückte und von ihm die drei Pferdepässe ausgehändigt bekam.
    »Das wird dir noch leidtun!«, zischte Christian ihm zu. »Dafür wirst du büßen! Du bist doch genauso ein mieses Arschloch wie dein Alter!«
    Tim erwiderte nichts darauf. Er wandte sich ab und ging zum Lkw, um allein die schwere Verladerampe hochzuwuchten.
    »War mir ein Vergnügen.« Richard Jungblut grinste spöttisch in unsere Richtung. »Schönen Gruß noch an Susanne.«
    Ich sah meinem Bruder an, dass er Tims Vater am liebsten ins Gesicht gespuckt hätte, aber er beherrschte sich. Sekunden später dröhnte der Motor des großen Lkw und das Fahrzeug rollte vom Hof. Der Spuk war vorbei, die Niederlage perfekt. Und jetzt ließ Christian seinem Frust und Zorn freien Lauf. Er stieß die schlimmsten Flüche aus, die er kannte, und trat gegen die kleine Leiter, die wir benutzten, wenn wir den Pferden die Mähnen einflochten. Sie flog scheppernd durch die Stallgasse und die Pferde sprangen erschrocken in ihren Boxen herum.
    »Hör auf damit!« Papa erschien in der Stalltür. Er gab Jens und Christian Anweisungen, welche Pferde in die Boxen von Teicherts Pferden ziehen sollten. Ohne noch ein Wort über die Angelegenheit zu verlieren, ging er zur Tagesordnung über. Mich und Opa beachtete er überhaupt nicht.
    »Komm, Elena.« Opa legte mir einen Arm um die Schulter. »Die Reitstunde fängt gleich an.«
    Ich taumelte neben ihm her, stand total unter Schock. Erst jetzt wurde mir die ganze Tragweite dessen bewusst, was hier eben passiert war. Christians Hass auf Tim hatte sich in den letzten Minuten verhundertfacht. Es blieb mir nichts anderes übrig, ich musste mir Tim aus dem Kopf schlagen. Ein für alle Male. Er war der Sohn von unserem Todfeind und es gab absolut nichts, was das jemals ändern würde.
     
    Du darfst nicht sauer auf mich sein, las ich. Ich kann nichts dafür. Aber ich muss jetzt mit meinem Alten zu euch fahren und die Pferde von Teicherts holen. LG, T.
    Das hatte er um 14:12 Uhr geschrieben, aber ich hatte die SMS nicht gelesen, weil ich mein Handy auf dem Schreibtisch vergessen hatte. Tim hatte mich vorgewarnt! Wie konnte ich auf ihn sauer sein? Er musste seinem Vater genauso gehorchen, wie Christian und ich Papa gehorchen mussten.
    »Elena-Marie!«
    Ich zuckte zusammen, als ich Papas Stimme hörte, und schob das Handy schnell unter mein Kopfkissen. Ein absolut schlechtes Zeichen, wenn er mich bei meinem vollen Namen rief.
    »Komm nach unten!«
    Es war nicht ratsam, ihn warten zu lassen, deshalb sprang ich vom Bett auf und lief eilig die Treppe hinunter. Papa stand in der Diele, in Reitstiefeln und Jacke, und sah richtig sauer aus.
    »Ich will dir jetzt mal etwas sagen«, begann er aufgebracht. »Es gibt gute Gründe, weshalb wir mit den Jungbluts nichts zu tun haben wollen. Das weißt du doch wohl, oder?«
    Ich schluckte und nickte.

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