Elena - Ein Leben für Pferde
ich eigentlich wollte. Insgeheim hatte ich gehofft, Lajos hätte Papa gestern davon erzählt, doch er hatte es wohl nicht getan.
Ich druckste etwas herum, aber dann fiel mir ein, mit welchem Trick Erwachsene nur zu gern ein Gespräch beendeten, wenn es ihnen unangenehm wurde.
»Das ist eine lange Geschichte …«, sagte ich also.
Die Pferde wurden plötzlich unruhig und wieherten. Sekunden später ging die vordere Stalltür auf und Heinrich rollte den Rundballen Heu herein. Papa stand auf.
»Dann erzählst du sie mir später«, sagte er und grinste wieder. »Weißt du was? Ich würde jetzt wirklich gern sehen, wie du mit Fritzi springst.«
»Jetzt? Aber … aber ich muss doch in die Schule!«
»Ich fahre dich später hin und schreibe dir eine Entschuldigung für die erste Stunde«, schlug Papa vor. »Was hältst du davon?«
»Klingt cool.« Ich grinste breit. »Ich zieh mich schnell um. Fünf Minuten!«
Fritzi hatte unseren nächtlichen Ausflug gut überstanden. Er trabte frisch und voller Energie um die ganze Bahn, während Papa die Hindernisse, die noch immer so hoch waren, wie Herr Nötzli sie am Freitag gemacht hatte, herunterbaute. Er konnte kaum glauben, dass ich mit Quintano über diese Höhe gesprungen war. Jens kam in die Halle und blieb neugierig an der Bande stehen. Auch Heinrich und Stani tauchten auf, und schließlich kam Opa, der mir verschwörerisch zuzwinkerte, als ich an ihm vorbeigaloppierte.
»Komm mal hier über das Kreuz!«, rief Papa, als ich Fritzi ordentlich aufgewärmt hatte.
»So, Fritzi«, sagte ich leise und er drehte sofort die Ohren nach hinten. »Jetzt zeigen wir es denen aber mal.«
Ich machte ein paar Gymnastiksprünge, dann ging es an den ganzen Parcours. Fritzi zeigte sich von seiner allerbesten Seite, als wollte er Papa beweisen, dass dieser sich in ihm getäuscht hatte. Opa und Jens kamen in die Bahn und halfen Papa, die Hindernisse höher zu machen.
Der Gedanke an Tim zuckte durch meinen Kopf. Eigentlich hätte er auch dabei sein müssen, denn das, was Fritzi und ich konnten, war sein Verdienst.
»Okay«, sagte Papa.
Ich fasste die Zügel kürzer und ließ Fritzi angaloppieren. Er zog die Hindernisse mit gespitzten Ohren an und sprang so hoch in die Luft, dass ich hin und wieder Mühe hatte, im Sattel zu bleiben.
»Uiii!«, machte der Aknefrosch, als wir mühelos durch die dreifache Kombination flogen. Gleich darauf folgte der Oxer mit der blauen Plane darunter, die viele Pferde irritierte. Nicht so Fritzi. Hindernisse konnten rosa oder gepunktet oder lila kariert sein – mein Pferd interessierte das alles nicht. Er sprang für sein Leben gern, je höher, desto besser! Als wir das letzte Hindernis überwunden hatten, parierte ich Fritzi durch und sah atemlos zu Papa hinüber, der mit verschränkten Armen neben einem Oxer stand und die ganze Zeit keinen Ton gesagt hatte.
»Und?«, erkundigte ich mich. »Wie fandest du’s?«
Papa sagte lange gar nichts, betrachtete Fritzi und mich mit dieser ausdruckslosen Miene, die ich nur zu gut an ihm kannte.
»Von einem solchen Pferd haben deine Mutter und ich geträumt, als wir Gretna von For Pleasure haben decken lassen«, sagte er schließlich.
»Er gefällt dir also?«, bohrte ich.
Ich wollte Lob für meinen Fritzi hören, für das beste Pferd der Welt. Aber Papa ließ mich zappeln.
»Sag schon, Papa, findest du ihn gut?«, drängte ich.
Da schüttelte Papa langsam den Kopf. »Nein. Ich finde ihn nicht gut «, erwiderte er zu meiner abgrundtiefen Enttäuschung.
Konnten Tim und ich, konnte sich Herr Nötzli denn so sehr in Fritzi getäuscht haben? Ich musste mich mit aller Kraft beherrschen und senkte den Kopf, um nicht loszuheulen wie ein Baby. All die Arbeit, die Träume, die Hoffnung, die ich in Fritzi gesteckt hatte – war das alles umsonst gewesen?
»Elena«, riss Papas Stimme mich aus meinen Gedanken, »ich finde Fritzi nicht gut, ich finde ihn sensationell! Mir fehlen die Worte! Es ist einfach unglaublich, was du aus ihm gemacht hast!«
Mein Kopf zuckte hoch und nun war ich sprachlos. Papa stand da und grinste begeistert, schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf.
»Wie hast du das nur gemacht? Und vor allen Dingen: wann? Warum habe ich dich nie mit diesem Pferd gesehen?«
Papa legte die Hand auf meine Wade, seine Augen leuchteten wieder.
»Weil ich aufgepasst habe, dass du Fritzi nicht siehst«, gab ich zu. »Ich hatte doch Angst, dass du ihn mir wegnimmst, wenn du merkst, wie gut er
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