Elena – Ein Leben fuer Pferde
Kilo.«
»Damen reisen eben mit großem Gepäck. Sei froh, dass ich den Überseekoffer im Keller gelassen habe.«
Wenig später trafen auch Fabian und Kiki ein. Wir gingen in den Stall und ritten unsere Pferde. Liam war gerade mit Calvador fertig und sattelte Mister Magic. Er hatte von Papa ein ganz schönes Pensum aufgebrummt bekommen und musste sich in Papas Abwesenheit um die jungen Pferde und die Turnierpferde kümmern.
Am Nachmittag traf Tim ein. Sein Vater war mal wieder auf Reisen, seiner Mutter hatte er gar nichts gesagt. Sie fragte ihn nie, was er tat.
»Echt? Das heißt, du kannst bis heute Abend bleiben?« Ich strahlte.
»Wenn mein Entchen das möchte«, neckte er mich.
Hätte ein anderer gewagt, mich »Entchen« zu nennen, wäre ich wahrscheinlich ausgerastet, aber wenn Tim das sagte, klang es einfach süß.
Der grüne Fendt-Traktor knatterte um die Ecke, ein leerer Anhänger holperte hinterher. Christian saß am Steuer, Fabian hatte seine langen Beine auf dem Notsitz gefaltet.
»Hey, Tim!« rief Christian, ganz der Herr des Hofes, und stoppte neben uns.
»Hast du deine Arbeiten erledigt?«, fragte er mich.
»Ich schon«, erwiderte ich. »Und du?«
»Alles organisiert. Komm, Tim, spring auf! Wir Männer fahren jetzt einkaufen.«
»Moment mal«, wandte ich ein.
»Keine Widerrede«, sagte mein Bruder von oben herab. »Die Männer gehen auf die Jagd, die Frauen putzen das Heim und kochen.«
Ich wollte protestieren, aber Fabian und Tim grinsten breit.
Tim kletterte auf den zweiten Notsitz, Christian wendete gekonnt, dann tuckerten sie davon.
»Wo fahren die denn hin?«, rief Melike, die mit Kiki von den Koppeln kam. Sie hatten ihre Pferde rausgebracht und andere wieder hereingeholt.
»Sie gehen auf die Jagd«, antwortete ich und prustete los. »Das heißt auf Deutsch: Sie fahren nach Steinau in den Supermarkt.«
Kiki tippte sich an die Stirn und verzog das Gesicht. »Jungs!«, sagte sie. »Also so was! Sie werden Unmengen von Steaks und Alkohol anschleppen.«
Lajos kam aus dem Stall und schlenderte zu uns herüber.
»Und?«, erkundigte er sich. »Alles in Ordnung bei euch? Seid ihr versorgt oder müsst ihr verhungern?«
»Alles bestens«, versicherte ich. »Wir werden heute Abend grillen.«
»Na prima.« Lajos lächelte. »Dann viel Spaß. Ich fahre jetzt rüber ins Forsthaus. Wenn etwas sein sollte, müsst ihr nur anrufen. Morgen breche ich früh nach Frankreich auf, aber ich werde abends wieder zurück sein.«
»Okay, kein Problem«, erwiderte ich. »Liam ist ja auch noch da.«
Wir blickten ihm nach.
»Er sieht so einsam aus, findet ihr nicht?«, sagte Melike bekümmert. »Vielleicht hätten wir ihn fragen sollen, ob er mit uns grillen will. Jetzt sitzt er die ganze Nacht allein mitten im Wald.«
»Er sitzt seit Monaten allein im Wald«, erinnerte ich sie. »Und ich glaube nicht, dass ihm das etwas ausmacht.«
»Ich weiß nicht. Ich stelle es mir schrecklich langweilig vor.«
»Du spinnst ja, Melike«, sagte Kiki grinsend.
»Ich hab halt immer so Mitleid mit einsamen Menschen«, sagte meine Freundin traurig. »Schaut doch, wie er da langläuft. So verloren!«
Die nächste verlorene Seele betrat den Hof – Liam.
»Willst du den auch noch retten?«, erkundigte sich Kiki kichernd.
»Hey, Mädels«, sagte der junge Mann, »ich muss los. Bei euch alles okay?«
»Klar!«, riefen Kiki und ich im Chor.
Liams Handy klingelte. Er war echt ein Telefoniermeister. Papa hatte neulich gesagt, Liam müsse sich wohl bald eine Sekretärin engagieren, die seine Anrufe entgegennehme. Liam ging ans Handy, hob grüßend die Hand in unsere Richtung und marschierte zu seinem Auto.
»Er sieht blass aus«, stellte Melike fest.
»Aber nicht einsam.« Ich ergriff energisch ihr Handgelenk, bevor sie eine neue Mitleidsarie vom Stapel lassen konnte. »Komm jetzt! Wir müssen den Tisch decken und den Grill anmachen, bevor unsere Männer von der Jagd heimkehren.«
Da fiel Melike offenbar ein, dass Lajos und Liam Schnee von gestern waren. Fabian war es, der ihr gefiel.
»Stimmt«, sagte sie und blickte an sich hinunter. »Ich muss vorher noch schnell duschen und mir was Gescheites anziehen, ich seh schlampig aus.«
Das war totaler Quatsch. Melike sah nie schlampig aus. Ich versuchte seit Jahren ihr Geheimnis zu ergründen, wie sie es anstellte, in allen Lebenslagen hübsch und ordentlich auszusehen. Seitdem ich meine Zahnspange los war, war es nicht mehr ganz so schlimm, aber früher hatte ich mich
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