Elenium-Triologie
hast du es dann nie getan?«
»Weil es bisher nicht nötig war. Ihr Elenier plappert ohnehin schon viel zu viel!« Obwohl ihre Stimme die eines kleinen Mädchens war, waren ihre Worte und ihre Aussprache seltsamerweise die einer Erwachsenen; allerdings duzte sie ihn. »Höre auf mich, Sperber. Es ist ungeheuer wichtig! Wir müssen sofort aufbrechen!«
»Mitten in der Nacht, Flöte?« protestierte er.
»Dir entgeht auch nichts!« Sie blickte zum dunklen Fenster. »Aber sei jetzt bitte still und hör zu. Ghwerig hat den Bhelliom geborgen. Wir müssen den Troll aufhalten, ehe er die Nordküste erreicht und ein Schiff nach Thalesien findet. Wenn er uns entwischt, müssen wir ihm zu seiner Höhle in den Bergen von Thalesien folgen, und das würde viel Zeit kosten.«
»Ulath sagt, daß niemand weiß, wo die Höhle ist.«
»Ich schon. Ich war bereits einmal dort.«
»Du warst was?«
»Sperber, du vergeudest Zeit! Ich muß hinaus aus dieser Stadt. Hier lenkt mich zuviel ab. Ich kann nicht spüren, was geschieht. Schlüpf in deinen eisernen Anzug und komm.« Ihr Tonfall war schroff, ja gebieterisch. Ihre großen, dunklen Augen wirkten sehr ernst, als sie ihn anblickte. »Kann es sein, daß du ein so unempfänglicher Klotz bist, daß du nicht spürst, wie der Bhelliom sich durch die Welt bewegt? Sagt dir dieser Ring denn überhaupt nichts?«
Er zuckte leicht zusammen und starrte auf den Rubinring an seiner Linken. Es war der Ring, der dieses Kribbeln verursachte. Die Kleine schien sehr viel zu wissen – zu viel. »Weiß Sephrenia von all dem?«
»Natürlich. Sie packt bereits unsere Sachen.«
»Komm, reden wir mit ihr.«
»Du machst mich allmählich sehr ungeduldig, Sperber.« Ihre dunklen Augen blitzten und die Winkel ihrer geschwungenen, tief rosa Lippen waren hinuntergezogen.
»Tut mir leid, Flöte, aber ich muß trotzdem mit Sephrenia sprechen.«
Sie rollte die Augen. »Elenier«, sagte sie und klang so sehr wie Sephrenia, daß Sperber fast laut aufgelacht hätte. Er nahm sie an der Hand und führte sie den Korridor entlang.
Sephrenia war damit beschäftigt, ihre und Flötes Kleidung in die Segeltuchtasche zu packen, die auf dem Bett in ihrem Zimmer stand. »Kommt herein, Sperber«, forderte sie ihn auf, als er an der Tür stehenblieb. »Ich habe schon auf Euch gewartet.«
»Was ist eigentlich los, Sephrenia?« fragte er verwirrt.
»Hast du es ihm denn nicht gesagt?«, wandte sie sich an Flöte.
»Ja, aber er glaubt mir nicht. Wie erträgst du diese dummen Leute nur?«
»Sie haben einen gewissen Charme. Glaubt ihr, Sperber«, sagte sie ernst zu ihm. »Es stimmt, was Flöte sagt. Der Bhelliom ist aus dem See geborgen. Ich habe es selbst gefühlt. Ghwerig hat jetzt den Stein. Wir müssen aus der Stadt, damit Flöte und ich erspüren können, welchen Weg er nimmt. Rasch, weckt die anderen und bittet Berit, unsere Pferde zu satteln.«
»Ihr seid ganz sicher?«
»Ja! Beeilt Euch endlich, Sperber, sonst wird Ghwerig uns entkommen.«
Sperber drehte sich um. Das ging alles so schnell, daß ihm keine Zeit zum Denken blieb. Er klopfte an jede Tür, weckte die anderen und wies sie an, in Sephrenias Zimmer zu kommen. Berit schickte er zur Stallung, damit er die Pferde sattle, und als letztes rüttelte er Kalten aus dem Schlaf.
»Was ist denn los?« brummte der blonde Pandioner. Er setzte sich müde auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen.
»Es ist etwas passiert«, antwortete Sperber. »Wir brechen auf.«
»Mitten in der Nacht?«
»Ja. Zieh dich an, Kalten. Ich packe unsere Sachen.«
»Sag schon, was los ist, Sperber!« Kalten schwang die Beine aus dem Bett.
»Das wird Sephrenia erklären. Beeil dich, Kalten.«
Brummelnd kleidete Kalten sich an, während Sperber alles in den Reisesack stopfte, den sie mit in ihre Kammer genommen hatten. Dann eilten die beiden zu Sephrenias Zimmer, und Sperber klopfte an die Tür.
»Kommt endlich herein, Sperber. Jetzt ist keine Zeit, Eure Manieren zu beweisen!«
»Wer ist denn das?« fragte Kalten verwundert.
»Flöte«, antwortete Sperber und öffnete die Tür.
»Flöte? Sie kann reden?«
Die anderen hatten sich bereits eingefunden und starrten jetzt alle erstaunt auf das kleine Mädchen, das sie für stumm gehalten hatten.
»Um Zeit zu sparen, meine Herren«, sagte sie, »ja, ich kann sprechen, und nein, ich hatte bisher nicht das Bedürfnis, es zu tun. Beantwortet das alle ermüdenden Fragen? Nun hört mir gut zu. Dem Trollzwerg Ghwerig ist es gelungen, den
Weitere Kostenlose Bücher