Elenium-Triologie
Trolle sind gar nicht so schlimm – sofern man genügend Bewaffnete um sich hat. Ein Pfeil in den Bauch, und schon werden sie vorsichtiger. Schlimmer sind die Oger. Sie sind zu dumm, um zu begreifen, was Vorsicht bedeutet.« Er kratzte sich an der Wange. »Da war einmal eine Ogermaid, die sich unsterblich in einen der Brüder in Heid verliebt hatte. Sie sah gar nicht so übel aus – für eine Ogerin. Sie hielt ihren Pelz ziemlich sauber und ihre Hörner blitzblank. Sie putzte sogar ihre Fänge. Dazu kauen Oger Granit, müßt Ihr wissen. Jedenfalls, wie ich schon sagte, sie war leidenschaftlich in diesen Ritter von Heid verliebt. Sie lauerte dem Ärmsten in einem nahen Wald auf und brachte ihm Oger-Serenaden dar – die gräßlichsten Töne, die Ihr Euch nur vorstellen könnt! Sie konnte aus hundert Schritt Entfernung alle Nadeln von einer Tanne singen. Der Ritter ertrug es schließlich nicht mehr und ging ins Kloster, und die Ogermaid starb an Liebeskummer.«
»Ulath, jetzt weiß ich, daß Ihr mich auf den Arm nehmt!«
»Aber Sperber!« protestierte Ulath.
»Nun ja. Es ist also die wirkungsvollste Methode, Ghwerig loszuwerden, ihn aus sicherer Entfernung mit Pfeilen zu spicken?«
»Nur als ersten Schritt. Wir müssen aber auch dabei ziemlich nah an ihn heran, denn Trolle haben eine sehr feste Haut und ein dickes Fell. Pfeile dringen gewöhnlich nicht sehr tief ein, und im Dunkeln gegen ihn vorzugehen ist ziemlich gefährlich.«
»Flöte sagte, sie könne genug Licht für uns machen.«
»Sie ist ein sehr eigenartiges Persönchen, nicht wahr? Sogar für eine Styrikerin.«
»Das kann man wohl sagen, mein Freund.«
»Was meint Ihr, wie alt ist sie wirklich?«
»Ich habe keine Ahnung. Sephrenia schweigt sich aus. Aber ich weiß, daß sie viel, viel älter ist, als sie aussieht, und viel weiser, als wir uns vorstellen können.«
»So wie sie uns den Sucher vom Hals geschafft hat, kann es bestimmt nicht schaden, wenn wir eine Zeitlang tun, was sie sagt.«
»Da kann ich Euch nur beipflichten.« Sperber nickte.
»Sperber!« rief die Kleine scharf. »Komm her!«
»Ich wünschte nur, sie würde sich den Kasernenhofton ein wenig abgewöhnen!«
»Ghwerig macht etwas, das ich nicht verstehe«, gestand Flöte, als Sperber bei ihr war.
»Und was macht er?«
»Er bewegt sich wieder auf den See hinaus.«
»Er muß ein Boot gefunden haben«, meinte Sperber. »Von Ulath wissen wir, daß er nicht schwimmen kann. Welche Richtung hat er eingeschlagen?«
Sie schloß die Augen und konzentrierte sich. »Nordwestlich. Er wird Venne rechts liegenlassen und sich am Westufer des Sees wieder an Land begeben. Dorthin müssen wir reiten, wenn wir ihn aufhalten wollen.«
»Ich gebe den anderen Bescheid«, sagte Sperber. »Wie schnell kommt er voran?«
»Im Moment nur langsam. Ich glaube, daß er kein guter Ruderer ist.«
»Dann könnten wir schon eine Weile vor ihm am Westufer sein.«
Sie brachen ihr Lager ab und ritten, als die Sonne über Westpelosien unterging, auf der Straße nach Alaris entlang der Westseite des Vennesees südwärts.
»Wirst du durch deine Verbindung mit dem Bhelliom ungefähr sagen können, wo er an Land geht?« fragte Sperber Flöte, die in Sephrenias Armen ritt.
»Auf eine halbe Meile genau, ja«, erwiderte sie. »Ich kann es besser bestimmen, sobald er dem Ufer näherkommt. Es gibt Strömungen und Wind und dergleichen zu berücksichtigen.«
»Kommt er immer noch langsam voran?«
»Noch langsamer als zuvor. Ghwerig hat Schwierigkeiten mit einer Schulter und den Hüften. Das erschwert das Rudern.« »Kannst du schätzen, wann er das Westufer erreichen wird?«
»In seiner gegenwärtigen Verfassung erst morgen nach Tagesanbruch. Im Moment fischt er. Er braucht etwas zu essen.«
»Er fischt? Mit bloßen Händen?«
»Trolle sind sehr, sehr flink mit den Händen. Doch die Wasseroberfläche verwirrt ihn. Die meiste Zeit weiß er nicht einmal, in welche Richtung er rudert. Trolle haben einen sehr schlechten Orientierungssinn, aber sie können sich nach dem Norden richten, weil sie die Anziehungskraft des Nordpols durch die Erde spüren. Das ist aber im Wasser nicht möglich, da sind sie so gut wie hilflos.«
»Dann haben wir ihn!«
»Plane die Siegesfeier erst, wenn der Kampf gewonnen ist, Sperber«, mahnte sie ihn.
»Du kannst einem jede Freude nehmen, Flöte, weißt du das?«
»Und trotzdem liebst du mich, nicht wahr?« sagte sie mit entwaffnendem Lächeln.
»Was kann man da machen, Sephrenia?«
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