Elenium-Triologie
doch Sperber sprang zurück und riß den Speer wieder heraus. In diesem Augenblick schmetterte Kurik den Morgenstern auf Ghwerigs verkrüppeltes rechtes Knie, und Sperber hörte das Knirschen von Knochen. Ghwerig stürzte nach vorn. Die Keule entfiel seiner Hand. Sperber hob den Speer und stieß ihn dem Troll in den Bauch.
Ghwerig schrie und langte mit der Rechten nach dem Schaft, während Sperber den Speer vor und zurückzerrte und solcherart mit der scharfen Klinge durch die Gedärme des Trolls schnitt. Doch Ghwerigs verkrüppelte Linke hielt immer noch die Krone umklammert. Sperber erkannte, daß nur der Tod diesen eisernen Griff lösen würde.
Der Troll rollte sich aus der Reichweite des Speeres. Kurik schmetterte ihm den Morgenstern ins Gesicht und zermalmte dabei ein Auge. Mit einem furchtbaren Geheul rollte Ghwerig zum Rand des Abgrunds, wobei seine gehorteten Edelsteine in alle Richtungen flogen. Dann kippte er mit einem Triumphschrei und Saraks Krone in der Linken über den Rand.
Entsetzt stürmte Sperber zum Abgrund und starrte fassungslos in die Tiefe. Weit unten konnte er den mißgestalteten Troll in unbeschreibliche Finsternis stürzen sehen. Da hörte er das leichte Trippeln von nackten Füßen auf dem steinigen Höhlenboden. Flöte rannte mit flatterndem schwarzen Haar an ihm vorbei. Zu seinem Entsetzen zögerte die Kleine nicht einen Moment, sondern rannte über den Rand und stürzte dem fallenden Troll hinterher. »Gütiger Gott!« stieß Sperber hervor, während er hilflos die Arme hinunterstreckte und Kurik sich mit kreidebleichem Gesicht neben ihn kniete.
Dann kam auch Sephrenia herbei. Sie hielt noch Ritter Gareds Schwert in der Hand.
»Tu doch was, Sperber!« drängte Kurik.
»Das ist nicht nötig, Kurik«, sagte Sephrenia ruhig.
»Aber…«
»Pst, Kurik, ich versuche zu lauschen.«
Das Licht des glühenden Wasserfalls schien trüber zu werden, als hätte sich eine Wolke vor die Sonne geschoben, und das Tosen der Fluten kam Sperber nun wie ein Hohn vor. Er spürte, daß ihm Tränen über die Wangen rannen.
Und dann sah er in der tiefen Dunkelheit dieses unendlichen Abgrunds etwas, das ein Lichtfunke sein mochte. Er wurde zusehends heller und stieg – so zumindest hatte es den Anschein – aus diesem furchtbaren Abgrund auf. Je höher der Funke kam, desto deutlicher konnte Sperber ihn sehen. Er war wie ein reinweißer Lichtstrahl, den ein tiefblauer Glutpunkt krönte.
Und dann erschien der Bhelliom aus der Tiefe. Er ruhte auf Flötes leuchtender kleiner Hand. Unwillkürlich riß Sperber staunend den Mund auf, als ihm bewußt wurde, daß er durch sie hindurchzusehen vermochte, und daß das Glühen, das aus der Dunkelheit aufgestiegen war, so wenig stofflich war wie Dunst. Flötes Gesichtchen war ruhig und gelassen, als sie die Saphirrose mit einer Hand über dem Kopf hielt und die andere Sephrenia entgegenstreckte. Zu Sperbers Entsetzen trat seine geliebte Lehrerin über den Rand des Abgrunds.
Aber sie fiel nicht.
Als würde sie auf festem Boden schreiten, ging sie über die Leere hinweg zu Flöte, um den Bhelliom aus ihrer Hand zu empfangen. Dann wandte sie sich um und sprach ungewohntförmlich: »Öffnet den Speer, Ritter Sperber. Nehmt den Ring Eurer Königin heraus und streift ihn an einen Finger Eurer Rechten, auf daß der Bhelliom Euch nicht vernichte, wenn ich ihn Euch aushändige!« Flöte, die noch neben ihr stand, hob das Gesicht zu einem Jubelgesang, und dieses Lied klang wie aus unzähligen Kehlen.
Sephrenia streckte die Hand aus, als wolle sie in einer Geste unendlicher Liebe über dieses ätherische Gesichtchen streicheln. Beide Hände sanft um den Bhelliom gelegt, wandelte sie zurück durch die Leere.
»Hiermit endet Eure Suche, Ritter vom Rubin«, sagte sie feierlich. »Streckt die Hände aus und empfangt den Bhelliom von mir und meiner Kindgöttin Aphrael.«
Und dann, ganz plötzlich, wurde alles deutlich. Sperber und Kurik fielen auf die Knie, und der Ritter nahm die Saphirrose aus Sephrenias Händen entgegen. Sephrenia kniete sich ehrerbietig zwischen die beiden, als sie in das leuchtende Gesicht jener blickten, die sie Flöte genannt hatten.
Die Kindgöttin Aphrael lächelte sie an, während ihre Stimme immer noch zum Jubelgesang erhoben war, der die Höhle mit überirdischen Harmonien erfüllte. Dann wurde das Licht ihrer ätherischen Gestalt immer blendender, und sie entschwand nach oben, schneller als jeder Pfeil.
Und dann war sie nicht mehr zu sehen.
DIE
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