Elenium-Triologie
unseres ungeratenen Jungen angenommen, Stragen«, bemerkte sie.
»Seine Hoheit war noch etwas ungeschliffen, liebe Lady«, erklärte ihr der elegante Gauner. »Ich nahm mir die Freiheit, ihm etwas Schliff zu geben.«
»Seine Hoheit?« fragte Sperber neugierig.
»Ich habe gewisse Vorteile, Sperber.« Stragen lachte. »Wenn die Natur – oder Lady Zufall – jemanden mit einem Titel ausstattet, hat sie keine Möglichkeit, den Charakter des Empfängers zu beurteilen und die Würde entsprechend zu verleihen. Ich andererseits kann das wahre Wesen des Betreffenden erkennen und den angemessenen Rang auswählen. Ich erkannte sogleich, daß der junge Talen ein außergewöhnlicher Jüngling ist, so verlieh ich ihm die Herzogswürde. Hätte ich die Gelegenheit, noch drei Monate mit ihm zu arbeiten, könnte ich ihn ohne weiteres am Hof vorstellen.« Er ließ sich in einem bequemen Sessel nieder. »Bitte, meine Freunde, nehmt doch Platz und laßt mich wissen, wie ich euch noch behilflich sein kann.«
Sperber rückte einen Sessel für Sephrenia zurecht, dann setzte auch er sich selbst. »Was wir dringend benötigen, Nachbar, ist ein Schiff, das uns zur Nordküste von Deira bringt.«
»Genau das ist es, worüber ich mit Euch sprechen wollte, Sperber. Von unserem großartigen jungen Dieb hier erfuhr ich, daß Euer endgültiges Ziel Cimmura ist. Er erwähnte auch, daß Euch in den nördlichen Königreichen möglicherweise einige Unannehmlichkeiten erwarten. Unser dem Wein sehr zugetaner Monarch hat einen dringenden Bedarf an Freunden und hegt bitteren Groll gegen jene, die sich ihm entziehen. So, wie ich es sehe, zürnt er Euch momentan. Alle möglichen unschmeichelhaften Beschreibungen werden gegenwärtig im westlichen Eosien verbreitet. Wäre es nicht schneller – und sicherer –, direkt nach Cardos zu segeln und Euch von dort aus nach Cimmura zu begeben?«
Sperber überlegte. »Ich hatte vor, an einem abgelegenen Küstenstreifen in Deira an Land zu gehen und durch die Berge südwärts zu reiten.«
»Das dürfte sich als ziemlich anstrengend erweisen – und als sehr gefährlich für jemanden auf der Flucht. Einsame Strände gibt es an jeder Küste. Ich bin sicher, daß wir in der Nähe von Cardos einen passenden für Euch finden können.«
»Wir?«
»Ich glaube, ich werde Euch begleiten, Sperber, obwohl wir uns eben erst kennengelernt haben. Ich möchte ohnehin etwas Geschäftliches mit Platime besprechen.« Er erhob sich. »Ich werde im Morgengrauen ein Schiff im Hafen bereitstehen haben. Jetzt lasse ich euch allein. Ihr seid gewiß müde und hungrig nach eurem Ritt, und ich kehre besser in den Ballsaal zurück, bevor unsere allzu eifrige Gräfin ihr Gewerbe wieder mitten auf der Tanzfläche betreibt.« Er verbeugte sich vor Sephrenia. »Ich wünsche Euch eine angenehme Nachtruhe, liebe Schwester«, sagte er auf styrisch. Er nickte Sperber zu und verließ das Gemach.
Kurik stand auf, ging zur Tür und lauschte. »Ich fürchte, der Mann ist nicht ganz bei Verstand, Sperber«, sagte er leise.
»Oh, an seinem Verstand ist nichts auszusetzen«, widersprach Talen. »Er hat einige seltsame Ideen, aber manche sind vielleicht sogar durchführbar.« Er trat vor Sperber. »Also gut. Laßt ihn mich sehen.«
»Was sehen?«
»Den Bhelliom. Ich habe mehr als einmal mein Leben aufs Spiel gesetzt, um mitzuhelfen, ihn zu stehlen. Und dann hat man mich im letzten Augenblick abgeschoben! Ich finde, es steht mir wenigstens zu, einen Blick auf den Stein zu werfen.«
»Ist es ungefährlich?« wandte Sperber sich an Sephrenia.
»Ich weiß es nicht, Sperber. Die Ringe werden ihn in Schach halten – teilweise jedenfalls. Also gut, laßt Talen einen kurzen Blick darauf werfen.«
Sperber zog den Leinenbeutel aus dem Kittel, öffnete den Knoten und schüttelte die leuchtende blaue Rose auf seine rechte Handfläche. Wieder sah er aus den Augenwinkeln etwas Dunkles zucken, und es lief ihm eiskalt über den Rücken. Aus irgendeinem Grund machte der zuckende Schatten den Alptraum wieder lebendig, und er konnte die Anwesenheit der drei bedrohlichen verschwommenen Gestalten beinahe spüren, die ihn vor einer Woche im Schlaf gequält hatten.
»O Gott!« entfuhr es Talen. »Das ist unglaublich!« Er starrte das Juwel für einen Moment an, dann schüttelte er sich. »Steckt ihn wieder ein, Sperber. Ich will ihn nicht mehr ansehen.«
Sperber schob den Bhelliom zurück in den Leinenbeutel.
»Eigentlich müßte der Stein blutrot sein«, sagte
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