Elenium-Triologie
führte sie zu ihren Kabinen auf dem Unterdeck. Die Seeleute kappten die Trossen, und das Schiff lief in langsamer Fahrt aus dem Hafen. Doch kaum hatten sie die Landzunge hinter sich und tieferes Gewässer erreicht, wurden weitere Segel gesetzt, und das abenteuerliche Schiff jagte krängend über die Straße von Thalesien auf die deiranische Küste zu.
Gegen Mittag ging Sperber an Deck und erblickte Stragen an der Bugreling, wo er mißmutig über die graue regengekräuselte See starrte. Er trug einen dicken braunen Umhang, und von der Hutkrempe tropfte Wasser auf seinen Rücken.
»Ich dachte, Ihr mögt Regen nicht«, bemerkte Sperber.
»Es ist so muffig unten in der Kabine«, klagte der Räuber. »Ich brauchte frische Luft. Wie schön, daß Ihr mir Gesellschaft leistet, Sperber. Es ist schwer, mit Piraten eine kultivierte Unterhaltung zu führen.«
Eine Zeitlang lauschten sie dem Knarren der Takelung, demÄchzen der Spanten und dem schwermütigen Platschen des Regens auf der Wasseroberfläche.
»Wie kommt es, daß Kurik soviel über Schiffe weiß?« fragte Stragen schließlich.
»Er ist als junger Bursche zur See gefahren.«
»Das erklärt es natürlich. Ihr möchtet wohl nicht über die Angelegenheiten sprechen, die Euch nach Thalesien geführt haben?«
»Nein. Eine Kirchensache, wißt Ihr.«
Stragen lächelte. »Ah, ja. Unsere schweigsame Heilige Mutter Kirche. Manchmal glaube ich, daß sie diese Geheimniskrämerei halb so ernst nimmt wie unsereiner.«
»Es gehört für uns eben zum Glauben, davon auszugehen, daß die Kirche weiß, was sie tut.«
»Für Euch , Sperber, weil Ihr Ordensritter seid. Ich habe keine derartigen Schwüre geleistet, deshalb kann ich mir gewisse Zweifel erlauben. Allerdings will ich nicht verheimlichen, daß ich in jüngeren Jahren durchaus mit dem Gedanken spielte, Priester zu werden.«
»Ihr hättet es weit bringen können. Sowohl Geistlichkeit wie Armee sind von jeher an fähigen jüngeren Söhnen von Edelleuten interessiert.«
»Das gefällt mir.« Stragen lächelte. »›Jüngerer Sohn‹ hört sich viel besser als ›Bastard‹ an, nicht wahr? Aber die Kirche und ich wären nicht sehr gut miteinander ausgekommen, fürchte ich. Mir fehlt es an der Demut, die sie offenbar verlangt, und eine Versammlung, die nach ungewaschenen Achselhöhlen riecht, hätte mich schon bald veranlaßt, meine Eide zu widerrufen.« Er blickte wieder durch den Regen hinaus aufs Meer. »Wenn man es recht bedenkt, hat mir das Leben nicht sehr viele Möglichkeiten geboten. Für die Kirche bin ich nicht demütig und für die Armee nicht gehorsam genug, und einem Handwerk nachzugehen mangelt es mir an der gut bürgerlichen Gesinnung. Eine Zeitlang habe ich mich sogar am Hof versucht. Die Regierung braucht ja immer fähige Beamte. Aber nachdem ich dem geistig etwas trägen Sohn eines Herzogs bei einem Posten zuvorkam, an dem wir beide interessiert waren, wurde er ausfallend. Ich forderte ihn heraus, und er war so dumm, zu unserem Zweikampf in Kettenhemd und mit einem Breitschwert anzurücken. Faßt es nicht als persönliche Beleidigung auf, Sperber, aber Kettenrüstungen haben zu viele kleine Lücken, als daß sie guten Schutz vor einem Degen bieten könnten. Das mußte mein Gegner in unserer Auseinandersetzung allzu rasch feststellen. Es erwies sich, daß der Dummkopf, den ich aufgespießt hatte, ein entfernter Verwandter König Warguns gewesen war. Daraufhin habe ich mich rasch aus dem Regierungsdienst zurückgezogen. Und unser trunksüchtiger Monarch verfügt über nicht sehr viel Humor.«
»Das ist auch mir aufgefallen.«
»Wie ist es Euch gelungen, seinen Unwillen zu erregen?«
Sperber zuckte die Schultern. »Er verlangte, daß ich mich an dem Krieg in Arzium beteilige, aber ich hatte Dringendes in Thalesien zu erledigen. Übrigens, wie verläuft dieser Krieg? Ich bin nicht so recht auf dem laufenden.«
»Nun, bis zu uns sind nur Gerüchte durchgedrungen. Einige behaupten, die Rendorer wären vernichtet worden; andere schwören, Wargun sei geschlagen und die Rendorer marschieren nordwärts und stecken alles in Brand, was sich anzünden läßt. Welchem Gerücht man mehr Glauben schenkt, hängt von der Einstellung des einzelnen ab, nehme ich an.« Plötzlich blickte Stragen angespannt heckwärts.
»Was ist?« fragte Sperber.
»Das Schiff dort hinten.« Stragen deutete mit der Hand. »Es sieht aus wie ein Kauffahrer, aber dazu ist es ein wenig zu schnell.«
»Ebenfalls ein Korsar?«
»Ich
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