Elenium-Triologie
jedoch halb herumwirbelte und Sperber in die Hüfte trat, hielt der Ritter es für angebracht, etwas zu unternehmen. Mit Kaltens Hilfe kam er auf die Beine, schob sein Visier zurück und zog sich am Zügel hoch, bis er dem häßlichen Streitroß direkt in die Augen blicken konnte. »Hör auf!« knurrte er.
Faran funkelte ihn mit haßerfüllten Augen an.
Sperber bewegte seine Hand sehr schnell und faßte mit den eisenbehandschuhten Fingern das linke Ohr des Braunen. Grimmig begann er es zu drehen.
Faran trat ihm mit dem Vorderhuf ins Knie.
»Es liegt ganz bei dir, Faran«, erklärte ihm Sperber. »Du wirst ohne dieses Ohr jedoch ausgesprochen lächerlich aussehen.« Er drehte es noch fester, bis das Pferd unwillig schnaubte.
»Es ist immer schön, sich mit dir zu unterhalten, Faran«, sagte Sperber und gab das Ohr frei. Dann streichelte er den schweißigen Nacken. »Ich treibe dich nicht zu meinem Vergnügen so hart an. Aber wir haben es nicht mehr weit. Kann ich dir jetzt wieder trauen?«
Faran seufzte und scharrte mit einem Vorderhuf.
»Gut. Dann gehen wir ein Stück im Schritt.«
»Das ist geradezu unheimlich«, sagte Hochmeister Abriel zu Vanion. »Noch nie zuvor habe ich eine so vollkommene Verbindung zwischen Pferd und Mensch erlebt.«
»Das macht Sperber so stark«, erwiderte Vanion. »Er ist schon allein gefährlich genug, aber wenn er auf diesem Pferd sitzt, wird er zur Naturkatastrophe.«
Die Ritter führten ihre Pferde etwa eine Meile im Schritt, ehe sie wieder aufsaßen und durch den Nachmittagssonnenschein auf die Heilige Stadt zuritten.
Es war schon fast Mitternacht, als sie die breite Brücke über den Arruk überquerten und sich dem Westtor von Chyrellos näherten. Das Tor wurde von Kirchensoldaten bewacht. »Ich bedauere, meine Herren«, sagte der Hauptmann der Torwache, »aber auf Befehl der Hierokratie darf kein Bewaffneter Chyrellos während der Dunkelheit betreten.«
Hochmeister Komier langte nach seiner Streitaxt.
»Einen Moment, mein Freund«, hielt Hochmeister Abriel ihn sanft zurück. »Ich glaube, es gibt eine Möglichkeit, dieses Problem zu beheben, ohne jemandes Gefühle zu verletzen«, wandte er sich an den rotuniformierten Offizier.
»Ja, Herr Ritter?« Die Stimme des Hauptmanns klang geradezu beleidigend selbstgefällig.
»Dieser Befehl, von dem Ihr gesprochen habt, gilt er auch für Angehörige der Hierokratie?«
»Herr Ritter?« entgegnete der Hauptmann verwirrt.
»Es ist eine ganz einfache Frage, Hauptmann. Ein Ja oder Nein genügt. Trifft dieser Befehl auch auf die Patriarchen der Kirche zu?«
Der Hauptmann wand sich. »Niemand darf einen Kirchenpatriarchen behindern, Herr Ritter.«
»›Eminenz!‹« verbesserte Abriel ihn.
Der Hauptmann blinzelte verständnislos.
»Die korrekte Anrede für einen Patriarchen ist ›Eminenz‹, Hauptmann. Nach dem Kirchengesetz sind meine drei Gefährten und ich Patriarchen der Kirche. Laßt Eure Männer antreten, Hauptmann. Wir wollen sie inspizieren.«
Der Hauptmann zögerte.
»Ich spreche für die Kirche, Leutnant«, sagte Abriel scharf.
»Wollt Ihr Euch widersetzen?«
»Äh – ich bin Hauptmann, Eminenz«, murmelte der Mann.
»Ihr wart Hauptmann, Leutnant. Möchtet Ihr wieder Sergeant sein? Wenn nicht, dann tut sogleich, was ich befehle!«
»Jawohl, Eminenz«, erwiderte der verstörte Mann. »He, ihr!« brüllte er. »Alle! Stellt euch zur Inspektion auf!«
Die Inspektion der Wachabteilung am Tor wurde mit äußerster Strenge vorgenommen. Tadel wurden großzügig und in beißendem Tonfall verteilt. Danach ritt die Kolonne ohne weitere Behinderung in die Heilige Stadt ein. Kein Lachen wurde laut, kein Ritter verzog auch nur die Miene – bis sie außer Hörweite des Stadttores waren. Die Disziplin der Ordensritter war eben ein Wunder der zivilisierten Welt.
Trotz der späten Stunde patrouillierten große Abteilungen Kirchensoldaten durch die Straßen. Sperber kannte diese Art von Männern und wußte, daß ihre Loyalität käuflich war. In den meisten Fällen machten sie ihren Dienst nur um des Soldes willen. Aufgrund ihrer großen Zahl in Chyrellos hatten sie sich eine gewisse arrogante Unverschämtheit angewöhnt. Das Erscheinen von vierhundert Ordensrittern in Panzerrüstung auf den Straßen zur mitternächtlichen Stunde führte zur geziemenden Bescheidenheit, wie Sperber fand – zumindest unter den einfachen Soldaten. Die Offiziere brauchten etwas länger, die Wahrheit zu erfassen.
»Kalten«, befahl Vanion,
Weitere Kostenlose Bücher