Elenium-Triologie
ein Patriarch – entweder Ihr oder Patriarch Dolmant – eine Kirchenkrise ausruft und Wargun befehlen würde, seine Operationen in Arzium abzubrechen und seine Armeen nach Chyrellos zu bringen, würde das Bild sich ändern. Die Einschüchterung käme dann von der anderen Seite.«
»Abriel!« tadelte Dolmant schmerzlich berührt. »Wir wählen Erzprälaten nicht durch Einschüchterung!«
»Wir leben in der wirklichen Welt, Eminenz«, entgegnete Abriel. »Annias hat die Regeln für dieses Spiel aufgestellt.
Deshalb sehen wir uns gezwungen, nach diesen Regeln zu spielen – außer Ihr habt bessere Würfel.«
»Es würde uns obendrein wenigstens eine Stimme mehr bringen«, fügte Talen hinzu.
»Ach?« Dolmant blickte ihn an.
»Patriarch Bergsten begleitet Warguns Armee. Wir könnten ihn wahrscheinlich veranlassen, richtig zu stimmen, oder?«
Emban grinste. »Wie wär's, wenn wir uns zusammentun und ein Schreiben an den König von Thalesien verfassen, Dolmant?«
»Das wollte ich gerade vorschlagen, Emban. Und vielleicht sollten wir vergessen, jemandem davon zu berichten. Widersprüchliche Order von anderen Patriarchen würden Wargun nur verwirren, und er muß schon verwirrt genug sein, wie die Dinge liegen.«
8
Sperber war müde, aber er schlief schlecht. In seinem Kopf kreisten Zahlen. Neunundsechzig wurde zu einundsiebzig, dann achtzig, dann wieder rückwärts, und die neun und siebzehn – nein fünfzehn – hingen ominös im Hintergrund. Er wußte bald nicht mehr, was diese Zahlen bedeuteten. Sie wurden zu Nummern, die sich drohend, in Rüstung und mit Waffen in den Händen, vor ihm aufreihten. Und wie fast immer, wenn er jetzt schlief, spukte der Schatten in seinen Träumen. Er tat nichts, er beobachtete nur – und wartete.
Sperber hatte seine Schwierigkeiten mit der Politik. Zu vieles reduzierte sich in seinem Verstand auf Schlachtfeldvergleiche, und auf dem Schlachtfeld zählten überlegene Kräfte und Ausbildung und die Tapferkeit des einzelnen. In der Politik dagegen waren die Schwächsten den Stärksten ebenbürtig. Eine zittrige Hand, die sich zur Abstimmung erhob, vermochte dasselbe wie eine Faust im Rüsthandschuh. Seine Instinkte sagten ihm, daß die Lösung dieses Problems in seiner Schwertscheide steckte, aber der gewaltsame Tod des Primas von Cimmura würde den Westen spalten, und das zu einem Zeitpunkt, da Otha marschbereit an der Ostgrenze stand.
Schließlich gab er seine Schlafversuche auf und schlüpfte leise aus dem Bett, um den schnarchenden Kalten nicht zu wecken. Er warf seine Mönchskutte über und tappte durch die nächtlichen Korridore zu Dolmants Studiergemach.
Sephrenia saß dort, mit einer Teetasse in der Hand, vor dem niederbrennenden Kaminfeuer. »Ihr macht Euch Sorgen, Lieber, nicht wahr?« fragte sie leise.
»Ihr nicht?« Er ließ sich seufzend in einen Sessel fallen und streckte die langen Beine aus. »Wir sind für derlei nicht geschaffen, kleine Mutter. Keiner von uns. Ich vermag mich einfach nicht für diese Zahlenspielerei zu begeistern, und ich bin auch nicht sicher, ob Ihr versteht, was Zahlen bedeuten. Da Styriker nicht lesen, kann überhaupt jemand von euch Zahlen begreifen, die höher als die Summe eurer Finger und Zehen sind?«
»Wollt Ihr beleidigend werden, Sperber?«
»Nein, kleine Mutter, das könnte ich nicht – nicht zu Euch. Verzeiht, wenn ich heute morgen mißmutig bin. Ich kämpfe in einem Krieg, von dem ich nichts verstehe. Was haltet Ihr davon, wenn wir ein Gebet an Aphrael richten und sie bitten, die Einstellung einiger Patriarchen zu ändern? Das wäre klar und einfach und würde wahrscheinlich helfen, eine Menge Blutvergießen zu vermeiden.«
»Das würde Aphrael nicht tun, Sperber.«
»Ich hatte es befürchtet, daß Ihr das sagen würdet. Bleibt uns also nur die unangenehme Alternative, das Spiel mitzuspielen, nicht wahr? Es würde mir ja nicht so viel ausmachen, wenn ich die Regeln besser verstünde. Ehrlich gesagt, ich ziehe Schwerter und Meere von Blut vor.« Er blickte sie an. »Na, sagt es schon, Sephrenia.«
»Was soll ich sagen?«
»Seufzt und rollt die Augen himmelwärts und sagt ›Elenier!‹«
Ihre Augen wurden streng. »Das war unangebracht!«
Patriarch Dolmant trat leise, mit besorgter Miene ein. »Schläft denn heute nacht gar niemand?« fragte er.
»Wir haben einen bedeutenden Tag vor uns, Eminenz«, erwiderte Sperber. »Könnt auch Ihr deshalb nicht schlafen?«
Dolmant schüttelte den Kopf. »Einer meiner Köche
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