Elenium-Triologie
nicht anwesend wäre, könnten wir einen neuen Vorsitzenden wählen und ohne ihn in der Tagesordnung fortfahren. Es könnte über alles mögliche abgestimmt werden, was ihm nicht gefallen würde.«
»Könnte er die Abstimmungen nicht einfach für ungültig erklären lassen?«
Nun feixte Dolmant regelrecht. »Abstimmungsergebnisse aufzuheben, zählt zu den Hauptpunkten, Sephrenia, und dafür hat er nicht die notwendigen Stimmen.«
Jemand klopfte respektvoll an die Tür, und Dolmant sah persönlich nach. Ein Diener raunte ihm etwas zu.
»Der Koch ist soeben gestorben«, sagte Dolmant zu Sperber und Sephrenia. Seine Stimme klang betroffen. »Bitte wartet. Der Arzt möchte mit mir reden.«
»Merkwürdig«, murmelte Sperber.
»Es kommt tatsächlich vor, daß Menschen eines natürlichen Todes sterben, Sperber«, sagte Sephrenia.
»Nicht in meinem Beruf – zumindest nicht sehr oft.«
»Vielleicht war er alt.«
Dolmant kehrte mit sehr bleichem Gesicht zurück. »Er wurde vergiftet!«
»Wa-as?« rief Sperber.
»Mein Koch wurde vergiftet, und der Arzt hat festgestellt, daß das Gift sich in dem Haferbrei befindet, den der Mann fürs Frühstück zubereitete. Der Haferbrei hätte für alle im Haus den Tod bedeuten können!«
»Vielleicht solltet Ihr Eure Einstellung zu Annias' Verhaftung noch einmal überdenken, Eminenz«, sagte Sperber grimmig.
»Ihr glaubt doch nicht etwa…« Dolmants Augen weiteten sich.
»Annias ist für die Vergiftung von Aldreas und Ehlana verantwortlich, Eminenz«, erinnerte Sperber ihn. »Ich bezweifle, daß ihm der verfrühte Tod von ein paar Patriarchen und ein paar Dutzend Ordensrittern Gewissensbisse bereiten würde.«
»Der Mann ist ein Ungeheuer!« Dolmant fing zu fluchen an, und seine Verwünschungen waren in Kasernen zweifellos üblicher als in theologischen Seminaren.
»Vielleicht solltet Ihr Emban ersuchen, alle Patriarchen, die auf unserer Seite stehen, zu benachrichtigen«, riet Sephrenia Dolmant. »Offenbar ist Annias eine billigere Methode eingefallen, die Wahl zu gewinnen.«
»Ich wecke jetzt am besten die anderen auf.« Sperber erhob sich. »Ich möchte sie davon in Kenntnis setzen, und es dauert eine Zeitlang, ehe man einen Plattenpanzer angelegt hat.«
Es war noch dunkel, als sie in Begleitung von fünfzehn Rittern von jedem der vier Orden zur Basilika aufbrachen. Sechzig Ordensritter waren eine Streitmacht, der sich zweifellos nur wenige in den Weg stellen würden.
Das erste bleiche Licht des Tages erschien am Osthimmel, als sie die gewaltige Kuppelkirche erreichten, das Herz der Heiligen Stadt. Die Ankunft der Kolonne Pandioner, Cyriniker, Genidianer und Alzioner in der vergangenen Nacht war nicht unbemerkt geblieben. Jedenfalls wurde das von Fackeln beleuchtete Bronzetor zu dem riesigen Hof vor der Basilika von hundertfünfzig rotuniformierten Kirchensoldaten bewacht – unter dem Befehl desselben Hauptmanns, der auf Makovas Anordnung zu verhindern versucht hatte, daß Sperber und seine Gefährten auf ihrem Weg nach Borrata das pandionische Ordenshaus in Chyrellos verließen.
»Halt!« befahl er in gebieterischem, ja beleidigendem Tonfall.
»Wollt Ihr versuchen, Patriarchen der Kirche den Zutritt zu verwehren, Hauptmann?« wandte Hochmeister Abriel sich ruhig an ihn. »Obwohl Ihr wißt, daß Ihr dabei Eure Seele gefährdet?«
»Von seinem Hals ganz zu schweigen«, brummte Ulath.
»Patriarch Dolmant und Patriarch Emban dürfen selbstverständlich eintreten«, entgegnete der Hauptmann. »Kein wahrer Sohn der Kirche könnte ihnen das verweigern.«
»Und was ist mit diesen übrigen Patriarchen, Hauptmann?« fragte ihn Dolmant.
»Ich sehe keine weiteren Patriarchen, Eminenz«, war die hämische Antwort.
»Ihr müßt Euch umsehen, Hauptmann«, riet ihm Emban. »Nach dem Kirchenrecht sind die Hochmeister der Ritterorden auch Patriarchen. Macht Platz und laßt uns ein.«
»Ich kenne kein solches Kirchengesetz.«
»Wollt Ihr mich einen Lügner nennen, Hauptmann?« Embans üblicherweise gutmütiges Gesicht wirkte nun eisern.
»Aber – gewiß nicht, Eminenz. Darf ich mich in dieser Angelegenheit an meine Vorgesetzten wenden?«
»Nein. Tretet zur Seite!«
Der Hauptmann fing zu schwitzen an. »Ich danke Eurer Eminenz, daß Ihr mich auf meinen Fehler hingewiesen habt«, stammelte er. »Es war mir nicht bekannt, daß auch die Hochmeister einen kirchlichen Rang haben. Alle Patriarchen dürfen eintreten. Alle übrigen, fürchte ich, müssen vor dem Tor
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