Elenium-Triologie
übrigen Truppen werde ich befehlen, sich Wargun am Ostufer entgegenzustellen. Sie werden heldenhaften Widerstand leisten – mit viel Glück dauert die Schlacht gute zwei Stunden, ehe Wargun sie alle niedergemetzelt hat. Mehr Zeit bleiben Euch, mir und unseren Freunden nicht, um von hier wegzukommen. Wir können davon ausgehen, daß Sperber uns dicht auf den Fersen bleibt, und es besteht wohl kein Zweifel, daß er den Bhelliom dabeihaben wird.«
»Woher wollt Ihr das alles wissen, Martel? Ihr stellt doch nur Vermutungen an.«
»Mir scheint, Ihr seid all die Jahre in Sperbers Nähe gewesen und kennt ihn immer noch nicht. Ihr seid ein ausgesprochener Idiot, ist Euch das klar? Otha hat seine Truppen in Ostlamorkand zusammengezogen und wird bereits im Laufe der nächsten Tage in Westeosien einmarschieren. Er wird alles in Sichtweite abschlachten – Männer, Frauen, Kinder, Rinder, Hunde, wilde Tiere, sogar Fische. Das zu verhindern ist die oberste Pflicht der Ordensritter. Das war einer der Gründe, die Kriegerorden ins Leben zu rufen. Sperber ist das Musterbeispiel eines pflichtbewußten, ehrenhaften und unbeugsamen Ordensritters. Ich würde meine Seele dafür geben, ein Mann wie Sperber zu sein. Er besitzt das einzige, das Otha aufhalten kann. Glaubt Ihr da wirklich, daß irgend etwas auf der Welt ihn daran hindern könnte, den Bhelliom mitzunehmen? Benutzt Euren Verstand, Annias.«
»Was nützt es uns dann, davonzulaufen, wenn wir wissen, daß uns Sperber mit dem Bhelliom auf den Fersen ist? Er wird Otha vernichten und uns mit ihm.«
»Das ist unwahrscheinlich. Sperber ist zwar mächtig, aber er ist kein Gott wie Azash, und Azash ist seit Anbeginn der Zeit auf den Bhelliom versessen. Sperber wird uns verfolgen, und Azash wird ihn erwarten und vernichten, um den Bhelliom an sich zu bringen. Dann wird Otha einmarschieren. Und da wir ihm einen so ungeheuren Dienst erwiesen haben, wird er Euch auf den Erzprälatenthron setzen und mir jenes eosische Königreich geben, das ich mir aussuche – vielleicht sogar alle. Otha hat seinen Machthunger in den letzten tausend Jahren verloren. Ich werde sogar Lycheas als Regenten – oder gar als König – von Elenien einsetzen, wenn Ihr das möchtet, obwohl ich mir beim besten Willen keinen Grund dafür vorstellen kann. Euer Sohn ist ein wehleidiger Schwachkopf, und allein sein Anblick dreht mir den Magen um.«
Sperber fröstelte plötzlich. Er schaute sich um. Obwohl er ihn nicht sehen konnte, wußte er, daß der Schatten, der ihm seit Ghwerigs Tod folgte, irgendwo in diesem Kellerraum war. Konnte es sein, daß er schon auftauchte, wenn nur über den Bhelliom gesprochen wurde?
»Aber wie wollen wir wissen, daß Sperber uns folgen wird?«
fragte Annias. »Er weiß doch nichts von unserer Abmachung mit Otha und hat deshalb nicht die geringste Ahnung, wohin wir wollen.«
»Ihr seid wirklich naiv, Annias.« Martel lachte. »Sephrenia kann ein Gespräch aus fünf Meilen Entfernung belauschen und, wenn sie will, ebenso jeder, der bei ihr ist. Und nicht nur das. Es gibt Hunderte von Stellen in diesem Geschoß, die sich in Hörweite dieses Raumes befinden. Glaubt mir, Annias, auf die eine oder andere Weise belauscht Sperber uns in diesem Augenblick.«
Er machte eine Pause.
»Das stimmt doch, Sperber?« fügte er hinzu.
15
Martels Frage hing im modrigen Halbdunkel.
»Bleibt hier«, flüsterte Sperber Delada finster zu. Er griff nach seinem Schwert.
»Kommt nicht in Frage«, entgegnete der Oberst grimmig. Auch er zog sein Schwert.
Es war wirklich weder der richtige Augenblick noch der richtige Ort für Streitgespräche. »Also gut. Aber seid vorsichtig. Ich nehme Martel, Ihr Annias.«
Sie traten beide aus ihrem Versteck und schritten auf den Tisch mit der flackernden Kerze zu.
»Wenn das nicht mein teurer Bruder Sperber ist!« sagte Martel. »Welch eine Freude, dich wiederzusehen, alter Junge.«
»Dann schau nur schnell, Martel, denn du wirst bald für sehr lange Zeit gar nichts mehr sehen.«
»Ich würde dir ja gern den Gefallen tun, Sperber, aber ich fürchte, wir werden es wieder einmal verschieben müssen. Dringende Geschäfte, das verstehst du doch.« Martel packte Annias bei der Schulter und stieß ihn zur Tür. »Lauft!« zischte er. Die beiden rannten hinaus, während Sperber und Delada mit der Klinge in der Faust herbeistürmten.
»Bleibt stehen!« rief Sperber seinem Begleiter zu.
»Sie entkommen, Sperber!« protestierte Delada.
»Das sind sie
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