Elenium-Triologie
Ufer fernzuhalten.«
»Wir haben jedoch genügend, um in der Stadt allerlei zu tun«, warf Komier ein. »Wie wär's, wenn wir zur Mauer zurückkehren und uns ein Bild von der neuen Lage machen? Ich brauche etwas zu tun, um den Geschmack der Belagerung aus dem Mund zu kriegen.«
Als es zu dämmern begann, setzte Nebel ein, denn der Sommer näherte sich seinem Ende, und die beiden Flüsse, die sich vor Chyrellos vereinten, streckten dünne Nebelfühler aus ihrem dunklen Wasser in die kühle Nacht. Die feinen Schleier schlossen sich zunächst zu einem wallenden Dunst zusammen, der das orangene Fackellicht dämpfte, verdichteten sich dann zu grauem Nebel, der weiter entfernte Häuser verdeckte und schließlich schier die Hand vor den Augen verbarg – ein Nebel, wie er in Städten, die an Flüssen lagen, nicht unüblich war.
Unter den Soldaten herrschte Begeisterung über den Einsatz. Natürlich gab es taktische Gründe für den Plan, aber Taktik ist für Generäle, die Mannschaftsränge interessierten sich mehr für Vergeltung. Sie hatten das Bombardement durch die Belagerungsmaschinen über sich ergehen lassen müssen; sie hatten rasende Fanatiker abgewehrt, die auf den Sturmleitern heraufgeklettert kamen; sie hatten den Belagerungstürmen gegenübergestanden. Bis jetzt waren sie gezwungen gewesen, alles zu erdulden, was die Belagerer gegen sie warfen. Aber nun bekamen sie ihre Chance, einige Rechnungen zu begleichen und den Feind nicht ungerupft davonkommen zu lassen. So marschierten sie in grimmiger Erwartung aus der Altstadt.
Viele von Martels Söldnern hatten sich ihm begeistert angeschlossen, als die Aussicht auf Brandschatzen, Schänden und fast gefahrlose Angriffe auf schlecht verteidigte Mauern bestand. Ihre Begeisterung ließ jedoch bei der Vorstellung stark nach, gegen haushoch überlegene Streitkräfte auf freiem Feld kämpfen zu müssen. Da wurden sie plötzlich zu ganz friedliebenden Menschen und schlichen durch die nebligen Straßen auf der Suche nach Winkeln, wo ihre neuen, friedvollen Gefühle nicht verletzt würden. Der Ausfall aus der Altstadt kam als große Überraschung und noch größere Enttäuschung für diese Männer, die nun geradezu darauf erpicht waren, ein Leben frei von jeglichem Kampf zu führen.
Der Nebel half natürlich sehr. Die Verteidiger der Altstadt brauchten sich nur auf die Männer zu stürzen, die weder die Rüstung der Ordensritter, noch die roten Röcke der Kirchensoldaten trugen. Die Fackeln, welche diese neugeborenen Pazifisten trugen, machten sie zu leichten Zielscheiben für Kuriks inzwischen geübte Armbrustschützen.
Da Pferdehufe auf Straßenpflaster zu laut waren, bewegten sich die Ordensritter zu Fuß durch die Neustadt. Nach einer Weile gesellte Sperber sich zu Vanion. »Wir machen hier nichts anderes, als Deserteure aufzusammeln«, erklärte er seinem Hochmeister.
»Nicht nur, Sperber«, widersprach Vanion. »Die Kirchensoldaten mußten eine Belagerung durchstehen, und so etwas schlägt sich aufs Gemüt. Geben wir unseren etwas zweifelhaften Verbündeten die Chance auf ein bißchen Vergeltung, bevor wir sie wieder unter den Befehl der Patriarchen stellen.«
Sperber nickte bestätigend, dann schritten er, Kalten und Kurik los, um die Führung zu übernehmen.
Eine schattenhafte Gestalt mit einer Axt erschien auf einer von Fackeln beleuchteten Kreuzung. Die Umrisse verrieten, daß sie weder Rüstung noch den Rock eines Kirchensoldaten trug. Kurik hob seine Armbrust und zielte. Im letzten Moment riß er die Waffe hoch, und der Bolzen sirrte himmelwärts.
»Was ist los?« zischte Kalten.
»Es ist Berit!« quetschte Kurik zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich kenne die Art, wie er beim Gehen die Schultern bewegt.«
»Ritter Sperber?« rief der Novize in die Dunkelheit. »Seid Ihr da unten?«
»Ja.«
»Gott sei Dank! Ich glaube, ich habe Euch bereits in jeder ausgebrannten Gasse der Neustadt gesucht.«
Kurik schlug mit der Faust gegen eine Wand.
»Du kannst ihn später zur Rede stellen«, sagte Sperber. »Jetzt habt Ihr mich gefunden, Berit. Was kann so wichtig sein, daß Ihr Euer Leben aufs Spiel setzt, um mir davon zu berichten?«
Berit kam auf sie zu. »Die Rendorer sammeln sich offenbar nahe dem Westtor, Ritter Sperber. Es sind Tausende.«
»Was machen sie?«
»Ich glaube, sie beten. Zumindest ist es eine Art Zeremonie.
Ein hagerer, bärtiger Kerl steht auf einem Schutthaufen und schwingt feurige Reden.«
»Konntet Ihr irgend etwas von
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