Elenium-Triologie
schritt voraus aus dem Zelt.
Während sie durch die Zeltstadt ritten, die am Rand von Dabur wie Pilze aus dem Boden geschossen war, sprach Perraine lang und breit über die Flaute auf dem Rindermarkt. Die Zelte, an denen sie vorüberkamen, waren ohne erkennbare Ordnung aufgestellt, und es gab nichts, was auch nur im entferntesten als Straße hätte bezeichnet werden können. Horden schmutziger Kinder rannten herum und spielten im Sand, und erbärmlich aussehende Hunde erhoben sich auf der Schattenseite eines jeden Zeltes, an dem sie vorbeiritten, und bellten ein paarmal gelangweilt, ehe sie sich wieder müde fallen ließen.
Perraines Haus war ein klotzähnlicher Bau inmitten eines Grundstücks unmittelbar vor den Zelten, auf dem sich zähes Unkraut hartnäckig hielt. »Tretet ein«, forderte der Ritter sie betont laut auf, als sie die Tür erreichten. »Ich möchte Näheres über Eure Rinderherde hören.«
Er schloß die Tür hinter ihnen. Im Innern war es dämmerig und angenehm kühl. Das Haus hatte nur einen einzigen Raum. Auf einer Seite befanden sich ein Herd und das Nötigste an Küchenutensilien, auf der anderen ein ungemachtes Bett. Von den Deckenbalken hingen mehrere poröse Krüge, aus denen Wasser auf den Boden tropfte. Ein Tisch und zwei Bänke standen in der Mitte der Stube. »Es ist nicht gerade herrschaftlich«, entschuldigte sich Perraine.
Sperber blickte unmißverständlich zu dem einzigen Fenster an der Rückseite des Hauses, das offenbar nur einen dünnen Laden hatte. »Können wir belauscht werden?« fragte er leise.
Perraine lachte. »Ganz gewiß nicht, Sperber«, versicherte er ihm. »In meiner Freizeit habe ich mit viel Aufwand einen Dornbusch vor dem Fenster großgezogen. Du würdest staunen, wie hoch er ist und wie lang seine Dornen sind. Du siehst gut aus, mein Freund. Ich habe dich nicht mehr gesehen, seit wir Novizen waren.« Perraine sprach mit leichtem Akzent. Im Gegensatz zu den meisten Pandionern war er kein Elenier, sondern stammte aus den schier endlosen Weiten Mitteleosiens. Sperber hatte ihn immer gemocht.
»Ihr habt offenbar zu reden gelernt, Perraine«, stellte Sephrenia fest. »Früher wart Ihr so schweigsam.«
»Daran war mein Akzent schuld, kleine Mutter«, erklärte er. »Ich wollte nicht, daß man mich auslachte.« Er nahm ihre Handgelenke und küßte zur Begrüßung ihre Handflächen, dann bat er sie um ihren Segen.
»Erinnerst du dich an Kurik?« fragte ihn Sperber.
»Natürlich«, versicherte ihm Perraine. »Er hat mich im Lanzenstechen ausgebildet. Hallo, Kurik. Wie geht es Aslade?«
»Sehr gut, Ritter Perraine. Ich werde ihr ausrichten, daß Ihr Euch nach ihr erkundigt habt. Worum ging es eigentlich – bei diesem Ulesim, meine ich?«
»Er ist einer dieser wichtigtuerischen Speichellecker, die sich an Arashams Rockzipfel gehängt haben.«
»Ist er wirklich sein Jünger?«
Perraine schnaufte verächtlich. »Ich bezweifle, daß Arasham überhaupt seinen Namen kennt. Allerdings gibt es Tage, da weiß Arasham nicht einmal, wie er selber heißt. Von Ulesims Sorte gibt es Dutzende – selbsternannte Jünger, die herumstreunen und rechtschaffene Leute belästigen. Ulesim ist jetzt wahrscheinlich schon fünf Meilen weit in der Wüste und reitet seinen Gaul zuschanden, nur um Arashams Strafe zu entgehen. Arasham geht sehr scharf gegen Leute vor, die das bißchen Machtbefugnis überschreiten, das er ihnen überlassen hat. Wollen wir uns nicht setzen?«
»Wie ist es Euch gelungen, solchen Einfluß zu gewinnen?« fragte Sephrenia. »Ulesim benahm sich, als wärt Ihr ein König.«
»Das war gar nicht so schwierig. Arasham hat nur noch zwei Zähne – und die kann er nicht zusammenbeißen. Als Zeichen meiner unaussprechlichen Wertschätzung verehre ich ihm jede zweite Woche das zarte Fleisch eines mit Milch aufgepäppelten Kalbes. Alte Männer sind sehr für die Pflege ihrer Bäuche, und so lohnt Arasham es mir mit überschwenglichem Dank. Und da die Jünger nicht blind sind, zollen sie mir, um Arashams Gunst willen, großen Respekt. Aber jetzt zu euch. Was führt euch nach Dabur?«
»Voren meinte, wir sollten uns an dich wenden«, erklärte Sperber. »Wir müssen hier mit jemandem reden und wollten nicht zuviel Aufmerksamkeit erregen.«
»Mein Haus – soweit man es als solches bezeichnen kann – steht ganz zu eurer Verfügung«, sagte Perraine ironisch. »Mit wem müßt ihr denn sprechen?«
»Mit einem Arzt namens Tanjin«, antwortete Sephrenia und nahm ihren
Weitere Kostenlose Bücher