Elenium-Triologie
von Bord gehen, ehe wir die Stadt erreichen«, erklärte Sperber dem Kapitän. »Wir wollen uns erst ein wenig umsehen, ehe wir Arashams Anhängern begegnen, und der Hafen wird wahrscheinlich gut überwacht.«
»Das halte ich für eine weise Entscheidung.« Der Einäugige nickte. »Außerdem habe ich das Gefühl, daß Ihr was im Schilde führt, und da ist es mir lieber, wenn ich nicht mit hineingezogen werde.«
»Dann ist es also zu unser beider Bestem.«
Am Frühnachmittag drehte der Kapitän das Ruder und fuhr den Bug auf einen schmalen Streifen Sandstrand. »Das ist die letzte Möglichkeit, Euch von Bord zu lassen«, sagte er zu Sperber. »Von hier ab werden die Ufer zu schlammig.«
»Wie weit ist es noch bis Dabur?«
»Vier bis fünf Meilen.«
»Das ist nahe genug.«
Der Kapitän ließ die Laufplanke vom Mittschiff auf den Sand klappen, und Sperber führte mit seinen Freunden die Pferde und das beladene Maultier zum Strand. Kaum waren sie unten angekommen, zogen die Männer die Laufplanke ein und stießen den Kahn mit langen Stangen wieder hinaus auf den Fluß. Dann manövrierte der Kapitän ihn in die Strömung und fuhr ohne Lebewohl flußab.
»Könnt Ihr es auch durchhalten?« fragte Sperber Sephrenia besorgt. Sie wirkte noch abgespannt, aber die dunklen Ringe um ihre Augen waren nicht mehr so tief.
»Mir geht es gut, Sperber«, beruhigte sie ihn.
»Aber mit jedem Ritter, den wir verlieren, wird es Euch schlechter gehen, nicht wahr?«
»Ich weiß es nicht«, entgegnete sie. »Ich war noch nie zuvor in dieser Lage. Sehen wir zu, daß wir nach Dabur kommen und mit Doktor Tanjin sprechen.«
Sie ritten durch das Gestrüpp am Rand des Strandes und gelangten alsbald zu der staubigen Straße nach Dabur. Viele Reisende waren hier unterwegs, hauptsächlich schwarzgewandete Nomaden, deren dunkle Augen in religiösem Eifer brannten. Einmal wurden sie durch eine Schafherde von der Straße abgedrängt. Die Schäfer ritten hochmütig auf ihren Maultieren und blockierten die Straße mit ihrer Herde absichtlich mehr, als nötig gewesen wäre. Dabei blickten sie jeden herausfordernd an, dem das vielleicht nicht passen mochte.
»Ich war nie ein großer Freund von Schafen«, murmelte Kurik, »und von Schäfern noch weniger.«
»Laß es dir ja nicht anmerken«, warnte Sperber.
»Hier wird viel Schaffleisch gegessen, nicht wahr?«
Sperber nickte.
»Aber wie paßt es denn zusammen, ein Tier für heilig zu erklären und es dann zu schlachten und aufzuessen?«
»Konsequenz ist keine starke Seite der Rendorer.«
Als die Schafe vorüber waren, setzte Flöte ihr Instrument an die Lippen und spielte eine eigenartig mißtönende Weise. Die Schafe blickten plötzlich gehetzt drein, drängten sich rasch aneinander, dann rasten sie in blinder Flucht über die Wüste, und die Schäfer galoppierten verzweifelt hinterher. Flötes Gesicht verriet, daß sie lautlos kicherte.
»Hör auf!« tadelte Sephrenia.
»Habe ich mir das alles nur eingebildet?« fragte Kurik verblüfft.
»Das glaube ich nicht!« entgegnete Sperber.
»Das kleine Mädchen gefällt mir immer besser, weißt du?«
Kurik grinste breit.
Sie ritten dicht hinter einer gewaltigen Schar Pilger her. Nach einer Weile erreichten sie eine Hügelkuppe und sahen Dabur vor sich liegen. Die in Rendor üblichen weißgetünchten Häuser drängten sich um den Fluß, doch dahinter reihten sich Hunderte von großen schwarzen Zelten in alle Richtungen aneinander.
Sperber beschirmte mit einer Hand die Augen und versuchte sich zu orientieren. »Die Rinderpferche sind da drüben.« Er deutete auf den Ostrand der Stadt. »Dort irgendwo müßten wir Perraine finden.«
Sie ritten den Hang schräg hinunter und machten einen Bogen um die Häuser und Zelte des südlichen Teils der Stadt. Als sie durch eine Zeltstadt ritten, die den Viehhöfen vorgelagert war, kam ein bärtiger Nomade mit einem glasverzierten Messinganhänger hinter einem Zelt hervor, um ihnen den Weg zu verwehren. »Wo wollt ihr denn hin?« fragte er scharf. Er machte eine gebieterische Geste mit einer Hand, und sofort eilten ein Dutzend Schwarzgewandete mit langen Piken herbei.
»Wir haben geschäftlich im Viehhof zu tun, edler Herr«, erwiderte Sperber sanftmütig.
»Ach, wirklich?« höhnte der Bärtige. »Ich sehe keine Kühe.« Er schaute sich mit selbstzufriedener Miene unter seinen Anhängern um, als wäre er ungemein stolz auf seine Klugheit.
»Die Kühe sind bereits unterwegs, edler Herr«, versicherte
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