Elenium-Triologie
Arm fehlt absolut nichts!« sagte er fast anklagend.
»Wie nett von Euch, das zu sagen«, murmelte Sephrenia und nahm den Schleier ab.
»Gnädige Frau!« rief er erschrocken. »Bedeckt bitte Euer Gesicht wieder.«
»Seid vernünftig, Doktor«, entgegnete sie. »Wir sind nicht gekommen, um über Arme und Beine zu reden.«
»Ihr seid Spione!« keuchte er.
»In gewisser Hinsicht, ja«, erwiderte sie ruhig. »Doch selbst Spione haben manchmal Grund, einen Arzt zu konsultieren.«
»Geht sofort!« befahl Tanjin.
»Wir sind ja eben erst gekommen«, entgegnete Sperber und schob seine Kapuze zurück. »Rede du, teure Schwester«, bat er Sephrenia. »Erklär ihm, weshalb wir hier sind.«
»Tanjin«, wandte sie sich an den Arzt, »sagt Euch das Wort ›Darestim‹ etwas?«
Er fuhr schuldbewußt zusammen, starrte zum Türvorhang und wich vor Sephrenia zurück.
»Keine falsche Bescheidenheit, Doktor«, sagte Sperber. »Es hat sich herumgesprochen, daß Ihr den Bruder und mehrere Neffen des Königs geheilt habt, nachdem man sie mit Darestim vergiftet hatte.«
»Dafür gibt es keinen Beweis.«
»Ich brauche keinen Beweis. Ich brauche die Heilmöglichkeit. Eine Freundin hat dieselben Symptome.«
»Für Darestim gibt es kein Gegengift.«
»Wie kommt es dann, daß des Königs Bruder noch lebt?«
»Ihr arbeitet mit ihnen zusammen«, beschuldigte sie der Arzt und deutete vage zum Platz. »Ihr wollt mir bloß ein Geständnis entlocken!«
»Wen meint Ihr mit ›ihnen‹?« fragte Sperber.
»Die Fanatiker, die Arasham folgen. Sie wollen beweisen, daß ich mich bei meiner Behandlung der Hexerei bediene.«
»Und tut Ihr es?«
Der Arzt wich noch weiter zurück. »Bitte geht«, flehte er.
»Ihr bringt mein Leben in schreckliche Gefahr.«
»Wie Ihr zweifellos bereits bemerkt habt, Doktor, sind wir keine Rendorer«, beruhigte ihn Sephrenia. »Wir teilen die Vorurteile Eurer Landsleute nicht. Wir verachten Magie nicht. In unserem Land gehört sie mit zum Leben.«
Er blinzelte sie verunsichert an.
»Unsere Freundin – die ich bereits erwähnte – ist uns sehr teuer«, erklärte ihm Sperber. »Und wir würden alles tun, um sie zu heilen.« Zur Bekräftigung seiner Worte öffnete er den Umhang.
Der Arzt riß den Mund auf, als er auf das Kettenhemd und das Schwert in seiner Hülle starrte.
»Es ist nicht nötig, dem guten Doktor zu drohen, teurer Bruder«, sagte Sephrenia. »Ich bin sicher, er wird uns auch so die Heilmöglichkeit beschreiben, die er gefunden hat. Schließlich ist er ja Arzt!«
»Gnädige Frau, ich weiß nicht, wovon Ihr redet!« sagte Tanjin verzweifelt. »Es gibt keine Heilung bei einer Vergiftung durch Darestim. Ich weiß nicht, wo Ihr all diese Gerüchte gehört habt, aber ich versichere Euch, sie entbehren jeglicher Wahrheit. Ich benutzte keine Hexerei bei meiner Behandlung.« Wieder warf er einen nervösen Blick auf den Türvorhang.
»Aber Doktor Voldi in Cippria versicherte uns, daß Ihr tatsächlich Angehörige der königlichen Familie geheilt habt.«
»Nun ja, das habe ich auch. Aber das Gift war nicht Darestim.«
»Was war es dann?«
»Äh – Porgutta, glaube ich.« Ganz offensichtlich log er.
Sephrenia ließ nicht locker. »Warum hat der König dann nach Euch geschickt, Doktor? Ein einfaches Abführmittel spült Porgutta aus. Das weiß jeder, der sich für Medizin interessiert. Ganz gewiß kann es kein so mildes Gift gewesen sein.«
»Äh – nun, dann war es vielleicht etwas anderes. Ich habe es vergessen.«
»Teurer Bruder«, sagte Sephrenia da zu Sperber, »ich glaube, der gute Doktor braucht einen Beweis, daß er uns vertrauen kann und daß wir sind, was wir zu sein behaupten.« Sie blickte die gereizte Hummel an, die immer noch verzweifelt versuchte, durch die Fensterscheibe zu kommen. »Habt Ihr Euch je gefragt, weshalb man des Nachts nie Hummeln sieht?« Sie blickte den verängstigten Arzt an.
»Darüber habe ich nie nachgedacht.«
»Vielleicht solltet Ihr es.« Sie begann in Styrisch zu murmeln, während ihre Finger das Muster des Zaubers zeichneten.
»Was macht Ihr da?« rief Tanjin entsetzt. »Hört auf!« Er wollte mit ausgestreckter Hand auf sie zueilen, doch Sperber hielt ihn zurück.
»Ihr dürft sie nicht unterbrechen!« warnte der große Ritter.
Da deutete Sephrenia mit einem Finger und gab den Zauber frei.
Dem sirrenden Schlag kleiner Insektenflügel gesellte sich ein feines Stimmchen zu, das fröhlich in einer den Menschen unbekannter Sprache sang.
Sperber
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