Elenium-Triologie
»hinter der sich die Herberge der Pandioner verbirgt. Sie wissen natürlich, daß wir auch dort Streife gehen, aber immerhin hemmt unsere Anwesenheit ihre Bewegungsfreiheit, und dadurch bleibt Seine Exzellenz von unliebsamen Überraschungen verschont.«
»Wir kennen die Gründe, Leutnant«, erinnerte der Korporal ihn gelangweilt. »Immerhin machen wir das bereits seit einem guten Jahr.«
»Ich wollte nur sichergehen, daß es allen klar ist«, entgegnete der wichtigtuerische junge Leutnant ein bißchen pikiert.
»Jawohl«, sagte der Korporal unbewegt.
»Wartet hier, Männer«, befahl der Leutnant und bemühte sich, seiner jungen Stimme einen barschen Tonfall zu geben.
»Ich schaue mich erst einmal um.« Er marschierte weiter die Straße hinunter und seine genagelten Absätze schmetterten auf das Kopfsteinpflaster.
»So ein Esel«, sagte der Korporal kopfschüttelnd zu seinen Kameraden.
»Werd erst mal selber erwachsen, Korporal«, knurrte ein grauhaariger Veteran. »Wir streichen den Sold ein, also haben wir auch zu gehorchen und unsere Meinung für uns zu behalten. Führe die Befehle aus und überlaß das Denken den Offizieren.«
Der Korporal brummelte säuerlich. »Ich war gestern am Hof«, erzählte er. »Annias hat den jungen Hüpfer gerufen, und der Dummkopf bestand auf einer Eskorte. Könnt ihr euch vorstellen, daß der Leutnant diesem Bastard Lycheas regelrecht hinten reingekrochen ist?«
»Das können Leutnants am besten.« Der Veteran zuckte die Schultern. »Sie sind die geborenen Speichellecker, und immerhin ist der Bastard der Prinzregent. Ich weiß zwar nicht, ob sein Speichel besser schmeckt, aber wahrscheinlich hat der Leutnant inzwischen bereits Schwielen auf der Zunge.«
Der Korporal lachte. »Na, das wär' vielleicht ein Schock für ihn, wenn die Königin wieder gesund würde und er den ganzen Speichel umsonst geleckt hätte!«
»Hoffe lieber, daß sie nicht gesund wird, Korporal«, fiel ein anderer ein. »Denn sollte sie aufwachen und wieder selber nach ihrer Schatzkammer schauen, wird Annias kein Geld für unseren Sold mehr haben.«
»Er kann sich doch jederzeit aus der Kirchenkasse bedienen.«
»Nicht ohne genaue Abrechnung. Die Hierokratie in Chyrellos dreht jedes Kupferstück dreimal um, bevor sie es ausgibt.«
»Also gut, Männer«, rief der junge Offizier aus dem Nebel, »die Pandionerspelunke ist ganz in der Nähe. Ich habe die Wache bereits abgelöst, also kommt her und nehmt eure Posten ein.«
»Ihr habt ihn gehört«, sagte der Korporal. »Voran mit euch!« Die Kirchensoldaten marschierten in den Nebel.
Sperber lächelte in der Dunkelheit. Er hatte selten Gelegenheit, beiläufige Gespräche des Feindes mitzuhören. Er vermutete schon lange, daß die Soldaten dem Primas von Cimmura mehr der Bezahlung wegen denn aus Loyalität oder Frömmigkeit dienten. Er verließ die Gasse, sprang jedoch sogleich lautlos zurück, als er neuerlich Schritte vernahm, die in seine Richtung kamen. Aus irgendeinem Grund herrschte auf den sonst so leeren nächtlichen Straßen heute reges Treiben. Die Schritte waren laut, also konnte es kein Räuber sein, der einem Ahnungslosen auflauern wollte. Sperber nahm den kurzen Speer in die Faust. Da sah er den Burschen auch schon aus dem Nebel kommen. Er trug einen dunklen Kittel und balancierte einen großen Korb auf einer Schulter. Er war offenbar irgendein Handwerker, doch er konnte genausogut irgend etwas anderes sein. Sperber verhielt sich still und wartete, bis die Schritte des Mannes verklangen, ehe er wieder auf die Straße trat. Er blieb wachsam, und seine weichen Stiefel verursachten kaum einen Laut auf den nassen Pflastersteinen. Auch hatte er den grauen Umhang eng um sich geschlungen, so daß seine Rüstung nur gedämpft klirrte.
Er überquerte eine leere Straße, um dem flackernden gelben Licht zu entgehen, das durch die offene Tür einer Schenke fiel, wo grölende Stimmen ein derbes Lied zum besten gaben. Wieder nahm er den Speer in die Linke und zog die Kapuze seines Umhangs noch tiefer über die Stirn, um sein Gesicht zu verdecken, während er durch den nebelgedämpften Lichtschein trat.
Er blieb stehen und durchforschte mit Augen und Ohren die neblige Straße vor ihm. Er wollte zum Osttor, aber es mußte nicht auf direktem Weg sein. Leute, die geradenwegs gehen, sind berechenbar, und berechenbare Leute geraten leicht in einen Hinterhalt. Es war lebenswichtig für ihn, die Stadt zu verlassen, ohne von Annias' Leuten gesehen und erkannt zu
Weitere Kostenlose Bücher