Elenium-Triologie
schon?«
»Nein, meine Königin.« Sperber blickte die stumme Tamulerin an, die hinter Ehlanas Stuhl stand. Mirtais Haut hatte einen eigentümlichen, exotischen Bronzeton, und ihr zu Zöpfen geflochtenes Haar war glänzend schwarz. Bei einer Frau von normaler Größe hätte man ihre Züge als schön empfunden und ihre dunklen Augen, die an den Winkeln leicht hochgezogen waren, als hinreißend. Doch Mirtai war nicht von normaler Größe. Sie überragte Sperber um eine gute Handbreite. Sie trug eine weiße Satinbluse mit Puffärmeln und ein Kleidungsstück, das man eher als Kilt, denn als Rock bezeichnen konnte, mit Gürtel. Ihre Schultern waren breit, ihre Hüften schmal. Trotz ihrer Größe war sie wohlproportioniert. Doch ihr ausdrucksloser Blick wirkte drohend. Sie schaute Sperber nicht an wie eine Frau normalerweise einen Mann anschaut. Sie war eine furchteinflößende Person.
Auf steife Weise korrekt bot Sperber seiner Königin den Arm und führte sie durch das Kirchenschiff zur Marmorfreitreppe. Als sie auf dem breiten Absatz standen, klopfte irgend etwas klirrend auf Sperbers Rücken. Er drehte sich um. Mirtai hatte mit einem Fingerknöchel auf seinen Panzer gepocht. Sie nahm einen gefalteten Umhang von ihrem Arm und hielt ihn für Ehlana auf.
»Oh, es ist doch nicht so kalt, Mirtai«, protestierte Ehlana.
Mirtais Gesicht wurde eisern, und sie schüttelte auffordernd den Umhang.
Ehlana seufzte und gestattete der Riesin, ihr den Umhang um die Schultern zu legen. Sperber blickte in diesem Moment direkt in das Gesicht der hünenhaften Frau, darum konnte er nicht daran zweifeln, was als nächstes geschah. Ohne die Miene zu verziehen, zwinkerte Mirtai ihm zu. Sperber fühlte sich gleich viel besser. Er war nun sicher, daß er und Mirtai großartig miteinander auskommen würden.
Da Vanion beschäftigt war, geleitete Sperber Ehlana, Sephrenia, Stragen, Platime und Mirtai zu Ritter Nashans Studiergemach, wo ihre Auseinandersetzung stattfinden sollte. Er hatte den Vormittag damit verbracht, sich einige scharfe Bemerkungen auszudenken, die beinahe schon Hochverrat nahe kamen, und sie noch auszufeilen.
Ehlana aber hatte sich seit ihrer Kindheit mit Politik befaßt und wußte, daß man schnell – ja abrupt – sein mußte, wenn die eigene Position wacklig war. »Du bist zornig auf uns«, begann sie, noch ehe Sperber Zeit gehabt hatte, die Tür hinter sich ganz zu schließen. »Du findest, daß ich hier nichts zu suchen habe und daß meine Freunde nicht hätten zulassen dürfen, daß ich mich solcherart in Gefahr begebe. So siehst du es doch in etwa, nicht wahr, Sperber?«
»In etwa, ja.« Sein Tonfall war eisig.
»Dann wollen wir das doch ohne Umschweife klarstellen«, fuhr sie rasch fort. »Platime, Stragen und Mirtai haben tatsächlich heftigst protestiert, aber ich bin die Königin, und deshalb habe ich zu bestimmen, was geschieht. Sind wir uns einig, daß mir dieses Recht zusteht?« In ihrer Stimme schwang ein Hauch von Herausforderung.
»So war es tatsächlich, Sperber«, versicherte ihm Platime versöhnlich. »Stragen und ich haben wirklich versucht, es ihr auszureden, über eine Stunde lang, bis sie gedroht hat, uns ins Verlies zu werfen, ja, sogar, meine Generalamnestie aufzuheben.«
»Ihre Majestät kann anderen sehr überzeugend ihren Willen aufzwingen, Sperber«, fiel Stragen ein. »Traut ihr nie, wenn sie Euch anlächelt, dann ist sie am gefährlichsten. Und wenn der Moment da ist, benutzt sie ihre Autorität wie einen Knüppel. Wir sind sogar so weit gegangen, sie in ihren Gemächern einzusperren, aber dann hat sie einfach von Mirtai die Tür eintreten lassen.«
Sperber blinzelte. »Das ist eine sehr massive Tür!«
»Sie war es. Mirtai hat sie zweimal getreten, dann ist sie in der Mitte auseinandergesprungen.«
Sperber blickte die riesige Frau erstaunt an.
»Es war nicht schwierig«, erklärte sie. Ihre Stimme war weich und melodisch, mit einem Anflug von exotischem Akzent. »Innentüren trocknen aus und brechen ganz leicht, wenn man sie richtig tritt. Ehlana kann die Stücke im Winter als Brennholz benutzen.« Sie sprach mit ruhiger Würde.
»Mirtai beschützt mich gut, Sperber«, sagte Ehlana. »Wenn sie bei mir ist, fühle ich mich völlig sicher. Und sie lehrt mich Tamulisch.«
»Elenisch ist eine rauhe und häßliche Sprache«, bemerkte Mirtai.
»Ganz meine Meinung«, pflichtete Sephrenia ihr lächelnd bei.
»Ich lehre Ehlana Tamulisch, damit ich mich nicht mehr schämen muß, weil
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