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Elf Arten der Einsamkeit - Short stories

Titel: Elf Arten der Einsamkeit - Short stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Yates
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entfernt hatte, sagte sie: »Was war das denn?«
     »Och, wir hatten 'ne Wette abgeschlossen, beim Box- kampf am Freitagabend. Hab' gar nicht mehr dran ge- dacht.«
     »Aha. Kenn' ich den Mann?«
     »Wen ... Walter? Klar, glaub' schon, Liebling. Hast ihn bestimmt mal gesehn, als ich noch drüben in der Chir- urgie war. Der alte Walter war dort über zwei Jahre in Behandlung; haben ihn erst letzte Woche wieder herge- bracht. Für die Kinder war das 'ne harte Zeit. Aber er läßt sich nicht unterkriegen.«
     »Was ist denn das für ein Ding in seinem Schlafanzug? Die Flasche?«
     »Er hat 'ne Drainage«, sagte Harry und ließ sich in die gelben Kissen zurücksinken. »Der alte Walter ist ein guter Junge; bin froh, daß er wieder da ist.« Dann senkte er ver- traulich die Stimme. »Ehrlich gesagt, er ist einer von den wenigen wirklich guten Jungs, die's auf der Station hier noch gibt, jetzt, wo so viele von der alten Clique fort sind oder drüben in der Chirurgie liegen.«
     »Magst du die Neuen denn nicht?« fragte Myra und sprach nun ihrerseits so leise, daß Red O'Meara, der noch nicht allzu lange hier war, nicht mithören konnte. »Also ich find' die alle absolut nett.«
     »Och, die sind wohl schon in Ordnung«, sagte Harry. »Ich mein' bloß, na ja, mit Typen wie Walter komm' ich einfach besser zurecht. Wir haben eben schon 'ne Menge miteinander durchgemacht. Was weiß ich. Die Neuen gehen einem manchmal auf die Nerven, so wie die reden. Zum Beispiel kennt sich keiner von denen mit Tuber- kulose aus, aber jeder meint, er weiß genau darüber Be- scheid; die lassen sich überhaupt nichts sagen. Ich mein', so was kann einem schon auf die Nerven gehn.«
     Myra sagte, sie glaube zu verstehen, was er meinte; inzwischen erschien es ihr besser, das Thema zu wech- seln. »Irene findet die Klinik richtig hübsch, mit dem Weihnachtsbaum und so.«
     »Ah ja?« Harry beugte sich sehr behutsam zur Seite und schnippte die Zigarette in den blanken Aschenbecher auf seinem Nachttisch. Sein langes Leben im Bett hatte ihm alles zur präzisen, peniblen Gewohnheit werden lassen. »Und wie läuft's im Büro, Liebling?«
     »Och, eigentlich ganz gut. Ich hab' dir doch von dem einen Mädchen erzählt, von Janet, die gefeuert wurde, weil sie zu lange Mittag gemacht hatte, und daß wir alle Angst hatten, sie streichen uns die halbstündige Mittags- pause.«
     »Aber ja«, sagte Harry. Ihr war klar, daß er sich über- haupt nicht mehr daran erinnerte und eigentlich gar nicht zuhörte.
     »Na ja, und jetzt sieht's so aus, als hätten sich die Gei- ster wieder beruhigt; letzte Woche nämlich sind Irene und drei andere Mädchen fast zwei Stunden fortgeblieben, und keiner hat einen Mucks gesagt. Eins von den Mädchen, Rose, rechnet schon seit ein paar Monaten mit einem Rausschmiß, aber auch die hat nichts zu hören gekriegt.«
     »Ach wirklich?« sagte Harry. »Na, das ist ja schön.«
     Eine Pause entstand. »Harry?« sagte sie.
     »Ja, Liebling?«
     »Hast du schon was Neues erfahren?«
     »Was Neues?«
     »Ich mein', weißt du inzwischen, ob du auch auf der anderen Seite operiert werden mußt?«
    »Aber nein, Liebling, ich hab dir doch gesagt, die Ent-
    scheidung wird noch 'ne Weile dauern ... ich mein', das hab' ich dir längst erklärt.« Sein lächelnder Mund und zugleich finsterer Blick sollten signalisieren, was für eine alberne Frage das war. Es war der gleiche Blick, mit dem er sie ganz am Anfang, vor langer Zeit, immer bedacht hatte, wenn sie ihn fragte: »Was meinst du, wann lassen sie dich wieder nach Hause?« Jetzt sagte er: »Tatsache ist, daß ich mich erst von dieser letzten Operation erholen muß. Bei dem Geschäft braucht alles seine Zeit; nach so 'ner Operation dauert's lange, bis man wieder richtig auf dem Damm ist, besonders wenn einer so eine Liste von Zusammenbrüchen vorweisen kann wie ich in den letzten – wieviel waren's gleich? – vier Jahren. Nein, jetzt heißt's noch ein Weilchen warten – vielleicht sechs Mo- nate, vielleicht auch länger, keine Ahnung – und zuse- hen, wie sich die andere Seite macht. Dann erst fällt die Entscheidung. Vielleicht komm' ich noch mal in die Chir- urgie, vielleicht auch nicht. Bei dem Geschäft muß man mit allem rechnen, Liebling, das weißt du doch.«
     »Ja, natürlich, Harry, tut mir leid. Ich wollt' keine blö- den Fragen stellen. Ich wollt' bloß hören, na ja, wie's dir geht und so. Hast du noch Schmerzen?«
     ^Überhaupt keine mehr«, sagte Harry.

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