Elf Arten der Einsamkeit - Short stories
des Bahnhofs, starrten vor sich hin und sprachen kaum miteinander. Noch dazu hatte dieser Tag ungewöhnlich gut begon- nen – das war das Problem.
Sie hatten bis Mittag geschlafen und waren nach dem Essen an den Strand gegangen, denn Ken hatte nichts gegen den Strand, wenn er nicht allein war, und nach kurzer Zeit hatten sie zwei amerikanische Mädchen ken- nengelernt auf die unbeschwerte elegante Art, wie Carson solche Dinge stets bewerkstelligte. Im einen Augenblick waren die Mädchen mürrische Fremde, die ihre Körper mit parfümiertem Öl einrieben und dreinblickten, als wür- den sie die Polizei rufen, sollten sie angesprochen wer- den, im nächsten schüttelten sie sich vor Lachen über die Dinge, die Carson sagte, stellten ihre Flaschen und TWA Taschen zur Seite, um Platz zu machen für unerwartete Gäste. Für Carson gab es eine Große mit langen festen Oberschenkeln, intelligenten Augen und einer Art, das Haar zurückzuwerfen, die ihr wirkliche Schönheit ver- lieh, und eine Kleine für Ken – ein süßes, sommersprossi- ges, kumpelhaftes Mädchen, das mit jedem frohgemuten Blick und mit jeder gutgelaunten Geste bewies, daß sie es gewohnt war, den Zweitbesten zu nehmen. Ken, das Kinn auf die übereinandergesetzten Fäuste gestützt und tief in den Sand eingegraben, war ihren warmen Beinen sehr nahe, lächelte sie an und verspürte nicht die Hemmun- gen, die ihn normalerweise bei Gesprächen wie diesem heimsuchten. Auch als Carson und das große Mädchen aufstanden und spritzend ins Wasser rannten, war er in der Lage, ihr Interesse zu halten: Sie sagte mehrmals, daß die Sorbonne »faszinierend« gewesen sein müsse, und bedauerte ihn, weil er nach Denver zurückmußte, ob- schon sie sagte, daß es »wahrscheinlich das Beste« wäre.
»Und dein Freund bleibt einfach für unbestimmte Zeit hier?« fragte sie. »Stimmt wirklich, was er gesagt hat? Ich meine, daß er nicht arbeitet oder studiert oder sonstwas tut? Daß er sich einfach treiben läßt?«
»Tja – ja, das stimmt.« Ken versuchte, zwinkernd zu lächeln wie Carson. »Warum?«
»Ich finde es interessant, das ist alles. Ich habe noch nie so einen Menschen kennengelernt.«
Da wurde Ken klar, was das Gelächter und die knappen französischen Badeanzüge bei diesen Mädchen verbor- gen hatten, nämlich daß es sich um einen Typ Mädchen handelte, mit dem weder er noch Carson seit langem zu tun gehabt hatten – Mittelschichtmädchen aus den Vor- orten, die sich pflichtbewußt den Segen ihrer Eltern für diese Reise geholt hatten; Mädchen, die »heiliger Stroh- sack« sagten, die sich auf der Straße durch ihre Kleidung aus dem Campusladen und ihren Hockeyspielerinnen- gang sofort verraten hätten. Sie waren genau der Typ Mädchen, die sich vor der Punschschale versammelt und »O Gott« gemurmelt hatten, als sie ihn zum ersten Mal im Smoking sahen, und ihre ignoranten, zum Verrückt- werden ausdruckslosen kurzen Blicke der Zurückweisung hatten seine schmerzvollen Jahre in Denver und New Haven vergiftet. Sie waren Spießerinnen. Und das Bemer- kenswerte war, daß er sich so wohl fühlte. Er verlagerte sein Gewicht auf einen Ellbogen, hob langsam eine Hand- voll heißen Sand auf und ließ ihn zurückrieseln, wieder und wieder, und mußte feststellen, daß er rasch und flie- ßend sprach:
» ... nein, wirklich, es gibt eine Menge zu sehen in Paris; schade, daß du nicht länger dort warst. Die Orte, die mir am besten gefallen haben, sind mehr oder weniger ab- seits der Touristenpfade; natürlich hatte ich Glück, weil ich die Sprache einigermaßen gut kann, und dann habe ich viele geistesverwandte Leute getroffen ...«
Er behauptete sich; er bewies sich. Er bemerkte es kaum, als Carson und das große Mädchen vom Schwimmen zurückkehrten, so geschmeidig und gutaussehend wie ein Paar auf einem Werbeplakat für eine Reise, sich neben ihnen niederließen, geschäftig mit Handtüchern und Zi- garetten hantierten und schaudernd Witze darüber mach- ten, wie kalt das Wasser gewesen war. Seine einzige wachsende Sorge war, daß Carson, der mittlerweile eben- falls über die Mädchen Bescheid wissen mußte, beschlie- ßen könnte, daß sie die Mühe nicht lohnten. Aber ein einziger Blick in Carsons leise lächelndes, redendes Ge- sicht beruhigte ihn: Carson saß angespannt zu Füßen des großen Mädchens, während sie sich den Rücken auf eine Weise abtrocknete, die ihre Brüste herrlich schwin- gen ließ, und war eindeutig entschlossen,
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