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Elf Arten der Einsamkeit - Short stories

Titel: Elf Arten der Einsamkeit - Short stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Yates
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die Sache durchzuziehen. »Hört mal«, sagte er. »Warum essen wir nicht alle gemeinsam zu Abend? Danach könnten wir dann ... «
     Beide Mädchen begannen Entschuldigungen daherzu- plappern: Leider könnten sie nicht, trotzdem vielen Dank, sie waren mit Freunden zum Abendessen im Hotel verab- redet und müßten jetzt gleich zurück, so gern sie auch blieben – »O Gott, schau nur, wie die Zeit vergangen ist!« Und sie schienen es wirklich zu bedauern, so sehr, daß Ken allen Mut zusammennahm, die Finger ausstreckte und die warme, feingliedrige Hand ergriff, die neben dem Oberschenkel des kleinen Mädchens vor und zurück schwang, als alle vier zu den Umkleidekabinen stapften. Sie drückte sogar seine dicken Finger und lächelte ihn an.
     »Dann an einem anderen Abend?« sagte Carson. »Be-
    vor ihr abreist?«
     »Also eigentlich«, sagte das große Mädchen, »sieht es so aus, als wären unsere Abende ziemlich ausgebucht. Aber wahrscheinlich laufen wir uns am Strand wieder über den Weg. Hat Spaß gemacht.«
     »Gottverdammte, kleine, rotznasige New-Rochelle-Schlam- pe«, sagte Carson, als sie allein in der Männerumkleide- kabine waren.
      »Psst! Nicht so laut, Carson. Sie können dich hier drin hören.«
     »Ach, führ dich nicht so auf.« Carson schleuderte seine Badehose mit einem sandigen Schlag auf den hölzernen Boden. »Ich hoffe, sie hören mich – was zum Teufel ist los mit dir?« Er sah Ken an, als würde er ihn hassen. »Zwei gottverdammte aufreizende, kleine, professionelle Jungfrauen. Himmel, warum bin ich nicht in Paris ge- blieben?«
     Und nun saßen sie hier, Carson blickte finster drein, Ken schmollte durch fliegenfleckige Fenster den Sonnen- untergang an, während ein Haufen nach Knoblauch rie- chender Arbeiter sich um den Flipper drängelte, lachte und schrie. Sie tranken bis weit nach der Abendessens- zeit; dann aßen sie ein spätes, unerfreuliches Mahl in einem Restaurant, in dem der Wein korkte und die Brat- kartoffeln zu fett waren. Nachdem die schmutzigen Teller abgeräumt waren, zündete sich Carson eine Zigarette an. »Was willst du heute abend machen?« fragte er.
     Um Kens Mund und auf seinen Backen schimmerte ein dünner Fettfilm. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Es gibt eine Menge gute Kneipen, in die wir gehen könnten.«
     »Vermutlich würde es deine künstlerische Empfindsam- keit beleidigen, wenn wir Sid noch einmal Klavier spielen hören?«
     Ken bedachte ihn mit einem schwachen, ziemlich ge- reizten Lächeln. »Du reitest noch immer darauf herum?« sagte er. »Klar möchte ich ihn noch mal hören.«
     »Auch wenn er sich prostituiert?«
     »Warum hörst du nicht damit auf, Carson?«
     Sie hörten das Klavier schon auf der Straße, noch bevor sie das Rechteck aus Licht betraten, das aus dem Eingang von Sids Bar auf den Gehsteig fiel. Auf der Treppe wurde der Klang lauter und voller, vermischte sich mit dem hei- seren Gesang eines Mannes, aber erst als sie unten in den Raum kamen und durch den blauen Dunst blinzelten, sahen sie, daß Sid der Sänger war. Die Augen halb ge schlossen, das lächelnde Gesicht über der Schulter dem Publikum zugewandt, sang er, während er hin und her schwankte und die Tasten bearbeitete.
    »Man, she got a pair of eyes ...«
     Das blaue Scheinwerferlicht ließ funkelnde Sterne auf sei- nen feuchten Zähnen und dem Schweiß auf seiner Schlafe aufblitzen.

    »I mean they're brighter than the summer skies
And when you see them you gunna realize
Just why I love my sweet Lorraine ...«

    »Verdammt voll hier«, sagte Carson. An der Bar war nichts frei, aber sie hielten sich eine Weile unsicher in deren Nähe auf und sahen Sid zu, bis Carson bemerkte, daß eines der Mädchen auf einem Barhocker direkt hin- ter ihm Jaqueline war. »Oh«, sagte er. »Hallo. Ziemlich viele Leute heute abend.«
     Sie lächelte und nickte und reckte dann den Hals, um Sid zuzusehen.
     »Ich wußte nicht, daß er auch singt«, sagte Carson. »Ist das neu?«
     Ihr Lächeln ging in ein ungeduldiges kleines Stirnrun- zeln über, und sie hob den Zeigefinger an den Mund. Nach dieser Abfuhr drehte er sich wieder um und trat schwer von einem Fuß auf den anderen. Dann stieß er Ken an. »Willst du gehen oder bleiben? Wenn du bleiben willst, dann setzen wir uns wenigstens.«
      »Pssstl« Mehrere Personen wandten sich auf ihren Stüh- len um und runzelten die Stirn. »Pssst! «
     »Komm schon«, sagte er und führte den sich schlän- gelnden und stolpernden Ken

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