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Elf Leben

Elf Leben

Titel: Elf Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Watson
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zu kassieren. Aber allein schon, um eine Beschäftigung zu haben, schreibt Xavier Filmkritiken für verschiedene Londoner Stadtmagazine und regelmäßige Kolumnen für überregionale Zeitschriften, deren Leser nach Lebenshilfe suchen.
    Die Gewohnheit, zu ungewöhnlichen Zeiten wach zu sein, war aus einem Versuch entstanden, sein Heimweh zu überlisten. Er hatte den Job beim Sender angenommen, weil es irgendwie tröstlich war zu wissen, dass Bec, Russell und Matilda zu Hause in Melbourne auch wach waren, zur selben Zeit wie er; es machte die Trennung weniger schmerzhaft. Und genau daran dachte er, als er jene Dinge sagte, die schließlich seinen festen Platz in der Sendung besiegelten.
    Ein Anrufer hatte geklagt, dass er in London einfach nicht heimisch werde, das Gefühl habe, jeder kümmere sich nur um seinen eigenen Kram.
    Xavier, der eigentlich nur dasitzen und so wenig wie möglich sagen sollte, musste einfach einhaken.
    »Diese Erfahrung habe ich auch gemacht. Ich bin erst vor Kurzem hierher gezogen, und es war ziemlich einsam. Aber wissen Sie, niemand in London hat das Gefühl, so richtig dazuzugehören.«
    Dann fügte er noch hinzu: »Mein Dad hat immer gesagt: Denk dran, keiner weiß, was er eigentlich tut auf dieser Welt. Alle wursteln sich einfach irgendwie durch.«
    »W-w-weise Worte!«, frotzelte Murray, aber die E-Mails der Hörer zeigten, dass sie Xaviers Worte tatsächlich weise fanden, und es dauerte nicht lange, bis die Leute anriefen und ausdrücklich Xavier verlangten. Ohne je ein Wort darüber zu verlieren, tauschten die beiden allmählich die Rollen, bis Xavier schließlich auf dem rechten Sessel mit dem großen grünen Mikrophon saß und Murray die Knöpfe drückte.
    Xavier hat sich an die besonderen Geräusche der Nacht gewöhnt: die gurgelnden Wutausbrüche von Jamie unter ihm, Mels promptes Beruhigen und Beschwichtigen, das Knarren, wenn Tamara oder ihr Freund ins Badezimmer gehen. Ab und zu kommen von oben zweideutigere Geräusche – Schluchzer, kurze, heftige Schreie oder ein Poltern, Xavier nimmt dann an, die beiden haben Sex. Dazu kommen die Geräusche des Hauses selber: sein Knarren, Ächzen und Rattern, wenn die Zentralheizung ausgeht und wieder anspringt, wenn sich seine Fasern in der kälter und wärmer werdenden Luft minimal zusammenziehen und wieder ausdehnen, als wäre es ein zerstreuter Greis, der vor sich hin brabbelt, während die Nacht dahingeht.
    Und dann gibt es die Geräusche von draußen, von Londons Nachtschwärmern und Frühaufstehern: ab und zu ein grölender Betrunkener, der die Straße entlangtorkelt, das Summen der ersten Autos – Taxis, die vielleicht Geschäftsleute nach Heathrow bringen, oder Lieferwagen, die die vielen Lebensmittelläden im Viertel mit dem neuesten Trendgemüse beliefern. Um halb acht treibt ein piepsender Wecker Tamara aus dem Bett, die Dusche rauscht, und ihre Absätze klackern über den Boden. Unten werden Jamies Forderungen rigoroser, je heller das Tageslicht von draußen hereinkommt: Polternd landen Sachen auf dem Boden, und Mel tappt herum, um den Schaden zu begrenzen. Die Straßen füllen sich mit miesepetrigen Pendlern, Busse rumpeln über die Hauptstraße, proppenvoll mit Menschen, die es vermeiden, einander in die Augen zu sehen, und aus den Radios der ganzen Stadt dringt das aufgedrehte Geplapper der Frühstücks- DJ s, die zur Arbeit gekommen sind, kurz nachdem Xavier gegangen ist. Wenn alle aus dem Haus sind und die Straßen allmählich in den Vormittagsrhythmus runterschalten, geht Xavier, genau wie alle anderen Nachtmenschen – die Verzweifelten, die Schuldgeplagten und die mit den Verdauungsproblemen – endlich zu Bett.
    Am Abend in der Sendung, in der es heute um das Thema »Das allererste Mal« geht, ruft eine alte Dame aus Walthamstow an.
    So stellt sie sich auch vor: »Ich heiße Iris, und ich bin eine alte Dame aus Walthamstow.«
    Xavier und Murray grinsen sich an.
    »Zuerst einmal möchte ich Ihnen sagen, wie sehr mir Ihre Sendung gefällt. Ich bin mehr oder weniger zufällig darauf gestoßen.«
    »Vielen Dank, Iris«, sagt Xavier, »und was hält Sie zu so später Stunde noch wach?«
    Es ist so etwas wie ein Running Gag bei Late Lines , dass Xavier immer überrascht tut, dass seine Anrufer noch wach sind, und eine Art onkelhafte Besorgnis über ihren Schlafmangel äußert.
    »Also, ich habe gerade in Verfall und Untergang des römischen Imperiums gelesen«, sagt Iris zehn Meilen entfernt am Telefon.
    »Und wie weit

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