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Elf Leben

Elf Leben

Titel: Elf Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Watson
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Oberkörper nach unten, für den Fall, das der Regisseur sie gehört hatte.
    »Der wird halt nervös sein. Stell dir mal vor, du drehst einen Film, und alle wissen, der ist von dir. Stell dir überhaupt mal vor, du drehst einen Film«, sagte Russell.
    »Der sieht aber schon nicht mehr normal aus«, warf Bec ein.
    »Meinst du, er –«, setzte Matilda an, aber in dem Moment wurde das Licht gedimmt.
    Eine mögliche Erklärung für die Not des Regisseurs ließ nicht lange auf sich warten, denn der Film, an den so hohe Erwartungen geknüpft waren, erwies sich als furchtbar langatmig und öde. Mit jeder Szene verpuffte die Aufregung des Publikums, und im Saal breitete sich Ernüchterung aus wie ein widerwärtiger Geruch, der von draußen hereinwehte. Von Zeit zu Zeit warf Chris einen Blick auf die zusammengesunkene Gestalt des Filmemachers. Seine Bewegungen waren jetzt nicht mehr hektisch, sondern resigniert; einmal hielt er den Kopf erschöpft in den Händen, und ab und zu schüttelte er ihn, als könne er nicht glauben, was er da sieht.
    Gegen Ende – oder als sie zumindest hofften, das Ende sei nah, denn zu allem Überfluss war der Film auch noch zu lang – kam bei einem besonders ungeschickten Dialog ungläubiges Kichern hier und da aus dem Publikum. Da stand der Regisseur abrupt auf und stürmte durch die Beinreihe zum Gang. Als er davoneilte, sah die Viererbande, dass er weinte.
    Sie schauten einander betreten an. Chris verspürte plötzlich den Drang, dem Mann hinterherzugehen, auch wenn er keine Ahnung hatte, was er zu erreichen hoffte, wenn er ihn fand. Er ließ ein paar Minuten verstreichen und schlüpfte dann so unauffällig wie möglich selbst aus dem Sitz.
    Matildas Aufmerksamkeit entging er natürlich nicht. Erstaunt riss sie die Augen auf: Niemand hatte je erlebt, dass Chris auch nur eine Sekunde eines Films verpasst hätte.
    »Wo willst du hin?«
    »Toilette.«
    Sie glaubte ihm nicht, das wusste er, aber er drängte sich zum Ende der Sitzreihe und hinaus ins Foyer mit den dunkelroten Wänden, an denen signierte Fotos längst verstorbener Metro-Goldwyn-Mayer-Stars hingen. Chris sah sich kurz um und ging dann in die Herrentoilette. Dort fand er den Regisseur, der wie ein Betrunkener den Kopf gegen den Händetrockner stützte.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte Chris schließlich, weil er nichts anderes zu sagen wusste.
    Der Regisseur drehte den Kopf und sah ihn aus seinen verweinten Augen an, er schien die Frage abzuwägen und sagte dann entschieden: »Mein Film ist ein Haufen Scheiße.«
    Chris wusste nicht, was stärker war – sein Wunsch, den Mann zu trösten, oder seine Integrität als Kinogänger. Das Mitgefühl gewann den Kampf.
    »Ich fand ihn gar nicht schlecht.«
    »Das sagen Sie doch nur«, protestierte der Regisseur, bevor er ihm in einem plötzlichen Wutausbruch noch einmal zornig ins Gesicht schleuderte: »Das sagen Sie doch nur so!«
    Er schlug gegen den Händetrockner, mit dem unglücklichen Effekt, dass dieser anging und den nächsten Teil seiner Klage im Getose untergehen ließ. Während das Gerät weiter pustete, trat Chris langsam einen Schritt näher und legte dem Mann vorsichtig einen Arm auf die Schulter. Der Regisseur drehte sich um und warf sich in seiner Verzweifelung fast auf ihn, legte den Kopf auf seine Brust und schluchzte weiter.
    »Hunderttausend Dollar. Achtzehn verdammte Monate. Und dann so was. Das Ding ist einfach nur schlecht. Ich wusste es die ganze Zeit.«
    Chris dachte daran, dass die Vorführung im Saal dem Ende entgegenging, und bugsierte den zerzausten Kunstregisseur schnell aus den Toiletten und – aus einem Instinkt heraus – die Leiter zur Filmvorführerkabine hinauf.
    »Das ist der einzige Ort, wo man etwas Ruhe hat«, erklärte Chris, der schon so lange hierher kam, dass er die meisten Mitarbeiter mit Namen kannte.
    Der große Mann folgte ihm, schwach wie ein Kind. Der Filmvorführer mit seinem schwarzen T-Shirt und dem langen glatten Haar sah erstaunt und irritiert hoch, als er Schritte hörte, entspannte sich aber, als er Chris’ vertrautes Gesicht sah, nur um beim Anblick des Regisseurs wieder in Erstaunen zu verfallen.
    »Er ist deprimiert wegen des Films«, erklärte Chris. »Ich versuche gerade, ihm klarzumachen, dass er okay ist.«
    »Der Film ist ein Haufen Scheiße.«
    »Er ist ganz passabel«, entschied der Vorführer hilfreich, »es ist bloß nicht der Film, der es hätte werden können.«
    Kurz danach, als der Abspann gelaufen und

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