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Elf Leben

Elf Leben

Titel: Elf Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Watson
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Richtung Bar. Die Frau – er kann sich nie merken, wie sie heißt, Hannah oder Hayley oder so – blickt über die Schulter und unterdrückt ein Glucksen über den schwitzenden Murray mit seiner schief sitzenden Fliege, der sich, ein Glas in jeder Hand, auf Zehenspitzen zwischen zwei dünnen Mädchen mit tiefen Dekolletees hindurchdrängt.
    »Dein Kumpel.«
    »Ja.«
    »Und, macht die Sendung noch Spaß?«
    »Ja, doch.«
    »Schön für dich«, sagt sie. »Also, wenn du bereit bist für was Neues, mail mir einfach. Ich hab schon ein paar Leuten von dir erzählt.«
    »Mach ich.«
    Murray kommt zurück, und Xavier entschuldigt sich.
    Schwungvoll zieht sie ihren BlackBerry aus der Tasche – Leute im ganzen Raum tun das zwischen den Gesprächen, als gäben die Geräte Anweisungen, wo man als nächstes hingehen muss –, stelzt davon und zupft jemand anderen am Ärmel, während Murray Xavier ein Glas Wein reicht.
    »War das Hannah Woodrow?«
    Xavier dreht sich noch einmal nach der Minifrau um, die bereits in das nächste Gespräch vertieft ist.
    »Ja.«
    »Worüber habt ihr geredet?«
    »Ach, bloß über den Film.«
    »Vielleicht sollte ich mal versuchen, mit ihr zu reden. An Leute wie sie muss man sich halten.«
    »Was soll das heißen, ›muss man sich halten‹? Wozu?«
    Murray zuckt die Achseln.
    »Man weiß ja nie. Es ist immer gut, sich mehrere Türen offen zu halten. Ich meine, im Moment ist an der Sendung nichts auszusetzen, aber wir müssen auch die P-p-p-p-p-p-p-perspektive im Auge behalten.«
    »Ja, da hast du wohl recht.«
    Murray fummelt an der Fliege herum, die ihm nicht steht.
    »Konzentrier du dich auf die Sendung und überlass die taktischen Sachen mir. Ich bin ein alter Hase im Geschäft.«
    Xavier sieht zu, wie er schwerfällig an die Peripherie des neuen Grüppchens um die Fernsehproduzentin schlurft und mit gezückter Hand darauf wartet, sie begrüßen zu können, wie ein Autogrammjäger in der Hoffnung, einen vorbeikommenden Star zu erwischen. Xavier ist überrascht, als er merkt, dass er an Pippa denkt: wo sie wohl gerade ist, was sie macht. Wahrscheinlich sieht sie fern, vermutet er, oder vielleicht ist sie mit ihrer Schwester ausgegangen; sie scheint jemand zu sein, der den ganzen Tag lang arbeitet und dann um vier Uhr morgens auf die Rolle geht. Sie könnte alles Mögliche machen – Country Dance, im Dunkeln joggen, Modell stehen, Kazoo spielen, ihn würde nichts überraschen. Aber vielleicht ruht sie sich auch einfach nur aus. Er stellt sie sich kurz in der Badewanne vor, wie ihre roten Knie imposant aus einer Schaumwolke aufragen, und wundert sich noch einmal über sich selbst. Er greift sich an den Hals, um die Fliege zu lockern, die aber nicht da ist, sondern windschief an Murrays Hals hängt. Der steht immer noch am Rande der Gruppe, und sein Lächeln wird schlaff.
    Ollie Harper schlägt sich am folgenden Arbeitstag nur mit Problemen herum. Sein Ersatzhandy hat eine unhandliche Tastatur, und es sind natürlich keinerlei Kundentelefonnummern eingespeichert, weshalb er den größten Teil der Woche damit zugebracht hat, verlorenen Boden wiederzugewinnen. Dem Fettwanst, der seinen BlackBerry gestohlen hat, wünscht er die Pest an den Hals. Sein einziger Trost sind die neckischen SMS seiner Kollegin Sam, die auf der anderen Seite des Büros sitzt, sich den ganzen Tag lang Haarsträhnen um den Finger wickelt, ans Telefon geht – »Hallo, Frinton hier« – und persönliche Daten aus den Anrufern herausquetscht. Es ist eine eiserne Regel bei Frinton, dass jeder, aber auch wirklich jeder Anrufer in eine Datenbank aufgenommen wird, mit Handynummer und, wenn möglich, einer E-Mail-Adresse, an die er dann jahrelang aktuelle Immobilienangebote geschickt bekommt. »Selbst wenn jemand diesmal nicht bei uns kauft oder mietet, es gibt immer ein nächstes Mal«, wie Roger, der Chef, ermüdend oft betont. Der und seine Datenbank, denkt Ollie manchmal, der ist so besessen davon, dass es ihm egal wäre, wenn sie nie wieder ein Haus verkaufen würden – Hauptsache, sie haben die E-Mail-Adressen von zehntausend Leuten.
    Diesen Vormittag hat Roger seinen Leuten eine seiner kaugummizähen Standpauken zum Thema Motivation gehalten. Bei den »derzeitigen Finanzproblemen auf dem gesamten Globus« – wie er es großspurig formulierte –, müsse jeder doppelt so fleißig sein, allerdings habe er den Eindruck, einige seien nur halb so fleißig. Dabei sah er Ollie unverhohlen an.
    Ollie konnte Roger noch

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