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Elf Zentimeter

Elf Zentimeter

Titel: Elf Zentimeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Scheiblecker
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Ich hätte nicht gewusst, was ich ihr sagen hätte können.
    »Die Zeiten sind jetzt eben so.«
    Das hätte ich sagen können. Es stimmte ja auch. Früher war das mit der Liebe wohl einfacher. Früher hatte eine Frau einen Mann und ein Mann einen Schwanz. Die drei mussten sehen, wie sie miteinander zurechtkamen. Mangels Promiskuität hatten die Frauen keine Penislängenmaßstäbe in Form zahlreicher vorangegangener Liebhaber und die Männer mangels Internet keinen Vergleich zu ihrem eigenen Ding in Form allgegenwärtiger Pornos. Die erotische Welt eines Paares war ein geschlossenes System mit seinen eigenen Maßstäben. In der Zeit der großen Verliebtheit lernte man, sich so viel wie möglich voneinander zu holen, und das versuchte man sich für den Rest des Lebens zu behalten.
    »Oma?«
    Sie war schon wieder in die Küche gegangen. Vermutlich hatte sie die Schwanzlänge meines Großvaters ihr Leben lang nicht hinterfragt.
    Rainer Maria Rilke:
Schwindende
     
    Schwindende du kennst die Türme nicht.
    Doch nun sollst du einen Turm gewahren
    mit dem wunderbaren
    Raum in dir. Verschließ dein Angesicht.
    Aufgerichtet hast du ihn
    ahnungslos mit Blick und Wink und Wendung.
    Plötzlich starrt er von Vollendung,
    und ich, Seliger, darf ihn beziehn. (…)
    Die guten alten Zeiten. Damals konnte man noch ohne Bedenken seine eigenen Türme beziehen. Aber ich stand im unerbittlichen Konkurrenzkampf einer Informationsgesellschaft, in der die Schwanzlänge eines Mannes immer transparenter wurde. Frauen redeten immer hemmungsloser darüber, und wenn einer einen besonders großen oder einen besonders kleinen hatte, verbreitete sich die Nachricht in Windeseile, und sei es per SMS .
    »Hey Inge! Carl gefickt. 30. Mindestens :-).«
    Oder so ähnlich.
    Das war erst der Anfang. Keith Richards hatte als Erster mit dem Schwanzlängenouting eines Freundes Geschäfte gemacht, ein Trend, der sich zweifellos ausweiten würde. Hätte Bohlen einen kleinen Schwanz, hätte ihn garantiert schon eine seiner dutzenden Liebschaften gegen gutes Geld geoutet. Und so würde es weitergehen. Irgendwann gehörten Schwanzlängenangaben dann vielleicht zur Kultur. Irgendwann müssten politische Spitzenkandidaten vor den Wahlen ihre Schwanzlängen angeben und mit urologischen Gutachten belegen, und wenn es bei einem nicht reichte, war er weg vom Fenster. Dann wäre das Risiko zu groß, in die Politik einzusteigen. Und irgendwann würden vielleicht die Schwanzlängen von Barack Obama und Mahmud Ahmadinedschad aufs Tapet kommen, und dann würde sich etwas im weltpolitischen Gefüge ändern.

[home]
    17
    G edichte rezitieren und Melken war auf die Dauer doch nicht unter einen Hut zu bringen. Ich legte das Buch beiseite und beschloss, zur Abwechslung die Methode zu ändern. Einem anderen Video folgend glitt ich nun nicht mehr so am Schwanz entlang, dass sich die Vorhaut mitbewegte, sondern hielt sie mit einer Hand am Penisansatz fest und melkte mit der anderen. Das ginge besser mit Gleitgel, dachte ich. Ich betrachtete mich im Spiegel.
    »Kannst du dir in die Augen sehen, Stefan?«, fragte mich mein Spiegelbild.
    »Ja«, antwortete ich und machte unbekümmert weiter.
    »Könntest du auch Sabine in die Augen sehen, wenn sie jetzt hier vor dir stehen würde?«, fragte mein Spiegelbild.
    Ich zögerte ein bisschen.
    »Ja«, sagte ich schließlich.
    Ein Mann, der ein Problem anpackt, muss sich nie schämen.
    Ich probierte auch noch die Variante, bei der man abwechselnd mit der einen und dann mit der anderen Hand die Melkbewegung durchführt. Das hat den Vorteil, dass der Druck im Schwanz ständig hoch bleibt, weil es keinen Zeitpunkt gibt, an dem ihn eine Hand loslassen würde. Durch das Stauen des Blutes sollte der Schwanz dicker und länger werden. Zuerst machte ich das ohne Gleitgel und dann mit, wobei die zweite Version ein bisschen mehr Charme hatte. Ohne Gleitgel nahmen die Finger die Vorhaut mit, was das Umgreifen erschwerte. Mit Gleitmittel ging die ganze Sache nicht nur glatter, sondern auch bedeutend schneller.
    Rasch stellte sich eine gewisse Routine ein.
    Aber schon am dritten Tag befürchtete ich, dass es mir bald langweilig werden würde und dass ich niemals durchhalten könnte, diese Übungen drei Jahre lang zu machen.
    Außerdem musste ich mir die Frage stellen, wie es mit mir nach diesen drei Jahren überhaupt aussehen würde. Ich würde siebenundzwanzig sein, also schon ziemlich alt. Wenn ich es mit siebenundzwanzig noch nicht geschafft hätte,

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