Elf Zentimeter
Zentimeter«?
»Ich hätte wirklich besser nicht darüber nachgedacht«, sagte ich. »Es fühlt sich wie eine Sünde an.«
Jakob lachte.
»Du kannst ja beichten gehen.«
»Warum, lieber Gott, darf dein höchster Vertreter auf Erden keinen Penis haben?«
»Weil Gott in Wirklichkeit doch eine Frau ist?«
Jetzt lachten wir beide.
Vielleicht sollte ich die Jury lieber berühmte Schriftsteller bewerten lassen. Aber ob das jemanden interessieren würde? »Johann Wolfgang von Goethe«, schrieb ich auf die Liste, betrachtete den Namen eine Weile und setzte dann ein Fragezeichen dahinter. Vielleicht kommt es bei Dichtern eher auf etwas anderes an.
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M eine privaten Probleme konnte das Grübeln über die Penislängen anderer Männer nicht lösen. Ich musste wieder anfangen, mich mit meiner eigenen Penislänge zu befassen, beziehungsweise damit, es eben nicht mehr zu tun.
Seit ich beschlossen hatte, diesem großen männlichen Trauma zu entkommen, war ich keinen Millimeter weitergekommen. Meine Situation war immer noch dieselbe. Keine Arbeit, kein Erfolg als Kabarettist, keine Frau und fast kein Schwanz, nur dass ich jetzt einen Sohn hatte. Mein einst so ambitionierter Plan, ein ganzer Mann und ein großes Vorbild für mein Kind zu werden, brauchte dringend einen Neustart. Innenschau zu betreiben und herumzuphilosophieren brachte nichts. Ich benötigte handfestere Konzepte.
Zunächst schickte ich ein paar Bewerbungen an Möbelhäuser und Taxiunternehmen. Das war keine schöne Beschäftigung. Am unangenehmsten war das Warten auf die Absagen. Dann sah ich nach, was sich seit meinen letzten Versuchen auf dem Markt für Penisverlängerungen getan hatte.
Mit den althergebrachten Methoden wollte ich nichts zu tun haben. Mit jener der heiligen Sadhus zum Beispiel. Die Sadhus sind hinduistische Mönche, die mich schon in meiner Kindheit faszinierten, wenn ich Bilder von ihnen sah. Sie sind gelb und orange bemalte langhaarige und langbärtige Männer. Sadhu bedeutet »guter Mann«. Sie studieren und lehren heilige Texte und leben dabei sehr asketisch und abgeschieden. Sie sind Aussteiger, die als Heilige verehrt werden, weil sie ihrem Glauben nach die Sünden aller Menschen auf sich nehmen. Die Entsagung gegenüber der weltlichen Ordnung tun manche von ihnen durch verrücktes Benehmen kund. Ähnlich den byzantinischen Säulenheiligen, die so viele Jahre wie möglich auf einer möglichst hohen Säule zu stehen entschlossen waren, stellen auch die Sadhus alle möglichen Weltrekorde auf. Einer hielt von Kindheit an seinen Arm über dem Kopf, bis der ganz vertrocknet und steif wurde. Ein anderer stand immer nur auf einem Fuß. Eine Gruppe von Sadhus war immer mit einer heiligen Kuh unterwegs, der ein zusätzliches Bein aus dem Rücken gewachsen war, und ernährte sich wie das Tier nur von Wiesengras. Von vielen Sadhus war bekannt, dass ihnen bereits im Kindesalter Gewichte an den Penis gehängt wurden, was zu Penislängen von rund fünfundvierzig Zentimetern führte. Diese Penisse mussten dann hochgebunden und in Stoffbeuteln getragen werden. Mit ziemlicher Sicherheit übertraf manch ein Sadhu-Penis sogar den von Long Dong Silver um einiges. Allerdings taugten sie wohl nicht mehr viel.
Ein ähnliches Verfahren zur Penisverlängerung wurde dem Volk der Karamojong aus dem Norden Ugandas nachgesagt, die das Glied angeblich sogar zusammengeknotet trugen. Der einzige Vorteil davon war wohl, dass diese Typen im Alter keine Probleme mit Inkontinenz bekommen konnten. Ich fragte mich, was zum Beispiel Marianna gesagt hätte, wenn ich auf Teneriffa meine Hose geöffnet und eine fast einen halben Meter lange Wurst mit einem Knopf darin herausgeholt hätte. Nicht auszudenken. Die arme Frau. Immerhin war auszuschließen, dass sich alle Karamojongs auf diese Art zierten, sonst wäre ihr Volk wohl längst ausgestorben.
Lieber fing ich mit der arabischen Jelq-Massage noch einmal ganz von vorne an. Wer ein Ziel hat, braucht Talent, Willen und Ausdauer. Eines meiner Ziele bestand darin, eines Tages im Beisein einer gut aussehenden Frau meine Hose herunterzulassen, ohne sie vorher zwanghaft mit psychologischer Spitzfindigkeit auf einen Mikropenis vorbereitet zu haben.
Ob ich Massage-Talent hatte, wusste ich nicht genau. Aber ich glaubte fest daran, dass man den Penis aufbauen kann wie einen Bizeps. Manche Typen hatten eben Bizeps von Natur aus, manche mussten sich ein wenig anstrengen, und schon sahen sie aus wie einer der
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