Elfen-Jagd
Nachricht Sorgen. Sie hatte zwar nichts, was sie hätte verlieren können, wußte andererseits aber genau, daß ihr Vater sich niemals irrte, wenn er Dinge ortete.
Prinzessin Irene besaß das magische Talent, Pflanzen wachsen zu lassen. Sie ließ nun einen prächtigen, großen Mischfruchtbusch sprießen, und sie aßen von den roten, grünen, blauen, gelben und schwarzen Beeren, die alle saftig waren und köstlich schmeckten. Krach hatte Irene immer gemocht, weil man in ihrer Gegenwart nie Hunger zu leiden brauchte, und wunderschöne Beine hatte sie auch. Nicht, daß ein Oger so etwas bemerken durfte – aber er konnte sich nur schwer der Vorstellung entziehen, wie ausgesprochen lecker solche festen, fleischigen Gliedmaßen schmecken mußten.
»Äh, bevor ihr zurückkehrt«, unterbrach die Sirene das Essen. »Wenn ich richtig informiert bin, Dor, verstehst du dich mit unbelebten Gegenständen.«
»Wer hat dir denn diesen Blödsinn eingeredet, Fischschwanz?« fragte ein Stein, der neben dem Prinzen auf dem Boden lag. Die Sirene saß neben einem Eimer Wasser und weichte ihren Schwanz ein, da es ihr unangenehm war, zu lange aus dem Wasser bleiben zu müssen.
»Ich habe etwas gefunden, und ich glaube, es könnte magische Eigenschaften besitzen«, fuhr die Sirene fort. »Aber ich bin mir nicht sicher, welche, und ich möchte auch keine närrischen Experimente durchführen.« Sie holte ein zerfetztes, halbmetallisches Ding hervor.
»Was bist du!?« befragte Prinz Dor das Ding.
»Ich bin das Ohr des Spaltendrachen«, erwiderte es. »Der verdammte Oger hat mich vom Kopf des Drachen abgerissen.«
Krach war überrascht. »Woher hast du das denn?«
»Ich habe es während des Kampfes aufgehoben und danach vergessen, du weißt schon, wegen der Trauerweide und so«, erklärte die Sirene.
»Die Spalte hat überhaupt etwas Vergeßliches an sich«, warf Irene ein. »Daran ist Dor schuld.«
»Aber die Spalte wird doch schon seit Jahrhunderten vergessen, nicht wahr?« fragte Sirene. »Wir können uns im Augenblick nur deshalb daran erinnern, weil wir immer noch nahe dran sind. Sobald wir nach Norden weiterziehen, werden wir sie wieder vergessen. Wie kann das Dors Schuld sein?«
»Och, er kommt ziemlich viel in der Gegend rum«, sagte Irene und warf dem Prinzen einen finsteren Blick zu. »Er war schon an Orten, das würde keiner glauben! Er hat sogar mit Millie der Sexappealmaid zusammengelebt.«
»Sie war mein Kindermädchen!« protestierte Dor. »Und außerdem war sie achthundert Jahre alt!«
»Und sah aus wie siebzehn«, konterte Irene. »Und jetzt sag bloß nicht, das wäre dir gar nicht aufgefallen!«
Dor konzentrierte sich auf das Ohr. »Was kannst du?«
»Ich höre alles, was wichtig ist«, erwiderte es. »Ich zucke, wenn mein Besitzer zuhören sollte. Deshalb wußte der Spaltendrache auch immer, wann es neue Beute in der Spalte gab. Ich habe sie für ihn belauscht.«
»Na ja, der Spaltendrache hat ja immer noch ein Ohr, um zu lauschen«, meinte Dor. »Und wie können wir nun hören, was du hörst?«
»Indem ihr mir einfach zuhört, du Dummbacke!« antwortete das Ohr. »Was sollte man mit einem Ohr denn sonst anfangen?«
»Das ist aber ein reichlich unhöfliches Ding«, meinte Tandy pikiert.
»Können wir es mal kurz prüfen, bevor du fortreitest, Prinz Dor?« bat die Sirene.
»O ja, laß mich mal!« sagte Johann. Sie schien sich inzwischen recht gut erholt zu haben, obwohl ihre Flügel noch immer bloße Stummel waren. Es würde lange dauern, bis sie wieder würde fliegen können – wenn überhaupt.
Die Sirene reichte ihr das Ohr. Johann hielt es an ihr eigenes winziges Ohr und lauschte angestrengt, wobei ihr Gesicht einen verwunderten Ausdruck annahm. »Ein rauschendes Geräusch wie von fließendem Wasser«, berichtete sie schließlich. »Ist das wichtig?«
»Na ja, ich hab’ ja auch nicht gezuckt«, erwiderte das Ohr säuerlich. »Du versuchst dein Glück, wenn gerade nicht viel los ist.«
»Inwieweit ist das Rauschen wichtig für sie?« fragte Dor.
»Das ist doch wohl offensichtlich, Dämlack!« knurrte das Ohr. »Das ist das Rauschen des Wasserfalls, wo der Elf, den sie sucht, lebt.«
»Tatsächlich?« fragte Johann. Sie war so aufgeregt, daß ihre Stummel zu flattern begannen. »Der Elf, der meinen Namen trägt?«
»Sage ich doch, Schmalzhirn!«
»Läßt du dich immer von unbelebten Dingen beleidigen?« wollte die Sirene von dem Prinzen wissen.
»Nur dumme Dinge beleidigen einander grundlos«,
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