Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
nennt und über dessen Ziele ich so gut wie nichts weiß!
Dann drehte sich Mergun herum und betrat den Tempel.
Ein unvorstellbarer, todeswürdiger Frevel.
Im Inneren des Tempels bot sich Mergun ein Bild des Grauens.
Fackeln loderten an den hochaufragenden Steinwänden und warfen gespenstisch tanzende Schatten.
Ein Holzkreuz war errichtet worden, an dem ein Mann hing. Man hatte ihm die Beine gebrochen und die Augen aus den Höhlen herausgequetscht. Sie hingen ihm auf den blutüberströmten Wangen.
Nicht mehr viel Leben war in ihm. Der Tod war nahe und der Geschundene kämpfte auch gar nicht mehr gegen ihn an. In seiner gegenwärtigen Lage musste er ihm wie eine Erlösung erscheinen.
Ein zweites Kreuz lag noch auf dem kalten Steinboden. Die Henkersknechte Ahyrs trieben Nägel durch die Hände einer Frau. Sie schrie nicht.
Dazu hatte sie nicht mehr die Kraft.
Nur ab und zu kam ein leises Stöhnen über ihre Lippen.
Merguns Blick fiel auf den Altar des Ahyr-Tempels, der aus einem gewaltigen Steinquader bestand.
Mehrere furchtbar zugerichtete Körper lagen darauf.
Blut rann an dem Steinrelief hinunter, das die Seiten des Steinquaders bedeckte und Szenen aus der Sagenwelt des Landes Balanien zeigte. Nun wurden diese Szenen in dunklem Rot nachgezeichnet.
Ahyrs Gestalt ragte in der Nähe des Altars hoch auf. Der grausame Gott war über und über mit Blut besudelt. Offenbar hatte er es nicht nehmen lassen, bei den Abscheulichkeiten, die in diesem Tempel stattgefunden hatten, persönlich Hand anzulegen.
Ahyr lachte heiser auf.
In seinen drei Augen leuchtete ein unruhiges Feuer.
Er ist wahnsinnig! durchfuhr es Mergun. Eine andere Erklärung konnte es für das, was der Wanderer sah, nicht geben.
Das Grauen drohte Mergun zu überwältigen.
Er fasste den Schwertgriff fester.
Beide Hände nahm er, bereit dazu, die im magischen Feuer gehärtete Klinge todbringend umherwirbeln zu lassen.
Wut glitzerte in seinen Augen.
Der Hass drohte ihn vollends zu überwältigen und in diesem Anfall grausamer Raserei hätte er Ahyr am liebsten umgebracht und dabei zugesehen, wie das magische Feuer seinen göttlichen, gleichwohl monströsen Körper zerfraß.
Aber er besann sich.
Vorerst brauchte er Ahyr noch.
Er brauchte ihn, um mit seiner Hilfe Taykor zu besiegen.
Dann allerdings...
Außerdem wäre es - trotz des im magischen Feuer gehärteten Schwertes an seiner Seite - für Mergun schwer geworden, diesen Tempel wieder lebend zu verlassen. Die Gefolgsleute des Ahyr waren einfach zu zahlreich, ihre Bereitschaft, sich für ihren Herrn und Gott zu opfern schier grenzenlos.
Mergun wirbelte herum.
Mit wenigen Sätzen erreichte er Ahyr.
In den Augen des Gottes war ein unruhiges Flackern unübersehbar geworden.
Sehe ich dort Furcht? dachte Mergun.
Nein, das war keine Frage.
Es war Furcht, nichts anderes.
Eine Art namenloses Entsetzen, das der grausame Gott lange nicht empfunden hatte.
Nicht für Äonen.
Er musste fühlen, dass das Auftauchen dieses Barbaren für ihn bedeuten konnte, als der Ausgang jener endlosen Kriege, die er sich mit Taykor zu liefern pflegte.
Dies ist kein Spiel für Götter! dachte Mergun grimmig und hielt den Schwertknauf mit beiden Händen umfasst. Dies ist der Anfang deines Endes, Ahyr! Auch, wenn du es im Moment nur dunkel ahnen magst...
„Ich grüße dich, Ahyr!“, zischte Mergun zwischen den Zähnen hindurch.
„Du wagst es, Sterblicher?“
Ahyrs Blick fiel auf Merguns Schwert.
Das grüne Leuchten der Klinge hielt den Blick des dreiäugigen Gottes einige Augenblicke lang in seinem Bann.
„Ja, ich wage es, dir gegenüberzutreten!“, sagte Mergun. „Ich wage es, dich in die Schranken zu weisen, du Missgeburt eines Gottes!“
Ahyr lachte plötzlich heiser auf.
„Das wirst du mit dem Leben bezahlen, du Wurm!“ Dann grinste er teuflisch. „Nein, ich weiß etwas Besseres. Dein Leben sollst du behalten. Dafür nehme ich deine Seele... Mehr, als nur der Tod, wird dich erwarten, Sterblicher. Schrecken, von deren Existenz du nie etwas ahntest!“
Die drei Augen des zornigen Gottes starrten den Wanderer jetzt auf eine Art und Weise an, die diesem unangenehm war. Aber Mergun vermochte es nicht, sich von diesen Augen zu lösen. Ein eigenartiger, sehr intensiver Zauber ging von ihnen aus. Eine unheimliche Macht, die direkt auf seinen Geist zu wirken begann. Mergun spürte es sehr deutlich, fühlte, wie sein freier Wille sich aufzulösen drohte, wie er schwächer und schwächer
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