Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
folgten ihm.
Aber Thiro wurde von düsteren Gedanken heimgesucht.
Was ist ein Mensch ohne seine Seele?, fragte er sich. Hat ein solcher Mensch noch das Gefühl, er selbst zu sein? Oder wäre er nichts weiter als ein Werkzeug, ohne eigenen Willen? Vielleicht war es sogar ratsam, Taykor nicht länger zu folgen. Nur ganz kurz gestattete er sich einen solchen Gedanken, dann hatte er ihn bereits wieder verdrängt.
Es wäre frevelhaft!, überlegte er.
Es wäre eine Sünde, meinem Gott die Gefolgschaft aufzukündigen!
Nein, so etwas war ganz und gar unmöglich! Aber da erschien vor Thiro geistigem Auge wieder das schmerzverzerrte Gesicht des Gekreuzigten.
Noch war es nicht zu spät, einfach auszubrechen, einfach davonzulaufen! Oder etwa doch...?
Aber auch diese Gedanken versuchte der König beiseite zu schieben.
Er durfte nicht flüchten.
Er war ausgezogen, um an der Seite seines Gottes Taykor einen Krieg zu führen.
Ja, er wollte kämpfen!
Er wollte für seinen Gott kämpfen, den er verehrte, den er liebte, den er fürchtete. Sein Licht strahlte heller als das der Sonne und in diesem Glanz leuchtete auch Thiro.
Ahyr, der Feind, musste von Boden dieser Welt verschwinden!
Ahyr, der grausame Ahyr!
Ja, in der siebten Hölle sollte er schmoren!
Taykor musste siegen. Die Welt musste von Ahyr geschützt werden.
Taykor hatte versprochen, nach der Vernichtung Ahyrs ein großes Reich des Friedens und der Gerechtigkeit, der Menschlichkeit und der Vernunft zu errichten.
Waren das keine edlen und erstrebenswerten Ziele?
Was war dagegen schon das Geschwätz eines - wahrscheinlich zu Recht! - Verurteilten und Gekreuzigten?
Aber irgendwo in seinem Innersten war da der Funke des Zweifels in König Thiro. Meinte es ihr Gott ehrlich? Wollte er den Menschen tatsächlich zu einer besseren Zukunft verhelfen? Oder verfolgte er nur seine eigenen, egoistischen Ziele?
„Vielleicht werden wir heute noch den ersten Feind vor die Klinge bekommen!“, rief Ovamnus.
„Ja, vielleicht“, erwiderte Thiro nachdenklich.
„Ihr seid schon wieder in Grübelei verfallen, nicht wahr, Thiro?
Saphax, du solltest deinem Herrn etwas Wein geben.“
„Nein, ich möchte nichts trinken.“
„Der Wein wird Euch zu einer besseren Laune verhelfen ...“
„Schon möglich, Ovamnus. Aber vielleicht will ich gar keine gute Laune haben.“
„Ihr seid ein seltsamer Mensch.“
„Mag sein.“
„Es besteht kein Grund, schlechte Laune zu haben! Seht Euch nur unser riesenhaftes Heer an! Glaubt Ihr, unser Feind könnte uns mit einer ähnlich großen Armee entgegentreten?“
„Ich weiß nicht.“
„Wir werden siegen, mein Freund! Wir werden siegen und anschließend feiern.“
„Die von uns übrig geblieben sind werden feiern ...“ Ovamnus zuckte mit den Schultern.
„Der Sieg hat seinen Preis, mein Lieber. Das ist nun einmal so.
Man bekommt auf dieser verfluchten Welt nichts umsonst. Gar nichts!“
„Nicht einmal den Tod, Ovamnus?“
Ovamnus runzelte die Stirn. „Wie kommt Ihr gerade jetzt auf den Tod?“
„Wenn wir erst im Kampf sind, werden wir ihm sehr nahe sein.“ Weitere Stunden flossen dahin. Das Reisetempo beschleunigte sich etwas, da Ovamnus die Männer immer schneller vorwärts trieb.
Ein ungutes Gefühl beschlich Thiro.
Bald würden sie das Heerlager ihres Gottes erreicht haben.
Dem König von Gunland wurde auf einmal klar, dass er sich schon die ganze Zeit über davor gefürchtet hatte, Taykor von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen.
Dann schließlich war es soweit und sie erreichten das riesige Lager ihres Gottes.
Es war eine ganze Stadt aus Zelten und das größte dieser Zelte gehörte Taykor selbst.
Davor stand ein riesiges, sechsbeiniges Pferd.
Ovamnus und Thiro waren aus den Sätteln gestiegen und auf das große Zelt zugegangen.
Zwei kräftige Wächter standen am Eingang und die beiden Könige machten vor ihnen halt.
Da ging der Vorhang, der den Eingang verschloss, zur Seite und eine hünenhafte Gestalt trat heraus. Es gab keinen Zweifel, sie standen vor ihrem Gott.
„Ich habe Euch erwartet“, sagte Taykor ruhig. Aber trotz allem waren seine Worte wie das drohende Grollen des Donners gefährlich, unheimlich und lediglich eine Vorahnung.
Sein ganzer Körper schien eine einzige Drohung: seine vier, mit je zwei Händen ausgestatteten, baumdicken Arme, seine beiden spitzen Hörner.
Und seine Augen.
Es waren gewalttätige Augen, in denen Wahnsinn leuchtete.
Den beiden Königen kam es
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