Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
Leiche.
Aber es war kein Aasfresser in der Nähe, der ihm hätte gefährlich werden können und so blieb er liegen.
Es mussten bereits mehrere Stunden vergangen sein, da stand er endlich auf. Er wankte etwas, denn die Vision hatte ihn ungeheuer viel Kraft gekostet. Doch es ging. Er wollte zurück zur Stadt Kwmsk, da sah er in der Ferne eine in einen weiten Mantel gehüllte Gestalt. Das sie nicht nach der Art des Wüstenvolkes gekleidet war, erkannte Gibram selbst aus der Entfernung heraus.
Aber wer sonst mochte sich in der Wüste aufhalten?
Nur die Lanar vermochten hier zu überleben, ihren Weg zu finden.
Die Gestalt kam mit riesenhaften Schritten auf ihn zu. Schon stand sie vor ihm.
„Wer seid Ihr?“, fragte Gibram, der sich nun vollends sicher war, dass es sich bei dem fremden Wanderer nicht um einen Angehörigen des Wüstenvolkes handelte.
Der Fremde lächelte.
„Nennt mich Luun, wenn Ihr wollt. Aber, wenn es Euch beliebt, so gebt mir einen anderen Namen, dies ist nur ein Vorschlag.“ Gibram runzelte die Stirn.
„Ich nenne Euch also Luun.“
„Gut.“
Luun - das war ein seltsamer Name. Gibram hatte ihn noch nie gehört - weder in den Städten des Westens und Ostens, noch in einer der immer weniger werdenden Oasenstädte.
„Woher kommt Ihr?“
„Aus der Wüste, Freund Gibram.“
„Ihr kennt meinen Namen?“
„Ja.“
„Woher? Und warum seid Ihr zu Fuß? Niemand kann zu Fuß in der Wüste überleben!“
„Das tut alles nichts zur Sache, Gibram.“
„Welche Sache? Was wollt Ihr überhaupt von mir?“ Gibram fror plötzlich. Es schwindelte ihm ein wenig.
„Ihr vermögt es, in die Zukunft zu schauen, nicht wahr, Gibram?“
„Auch das wisst Ihr? Woher? Nicht einmal alle Mitglieder meiner Sippe wissen davon!“
Aber Luun ging darauf nicht ein.
„Es ist doch so, nicht wahr: Ihr habt Visionen! Zukunftsvisionen.“
„Ja. Aber nun sagt mir endlich, worum es geht und was Ihr von mir wollt. Ich bin müde und schwach - und außerdem friere ich.“ Der Wüstenwind wurde nun tatsächlich empfindlich kalt, aber den Fremden schien das nicht zu kümmern.
Er schien den Wind, der an seinen Kleidern zerrte und sich durch sie hindurchbiss, gerade so, als wären sie gar nicht vorhanden, überhaupt nicht zu bemerken.
„Gerade hattet Ihr die Vision einer Revolution.“
„Ja, aber...“
„Wie denkt Ihr über die Revolution?“
Gibram sah dem Fremden direkt in die grauen, unendlich weise scheinenden Augen.
„Die Revolution ist notwendig, die Götter müssen gestürzt werden! Sie sind alt und grausam!“ Gibram deutete auf die Wüste.
„Ein Gott ist dafür verantwortlich, dass aus diesem, einstmals blühendem, Land eine lebensfeindliche Sandwüste wurde.“ Er seufzte.
„Und Ihr wisst auch, wer Mergun ist, der Gott von Balan!“
„Er ist vom Uytrirran herabgestiegen und weilt in Balan.“
„So ist es.“
„Und er wird die Revolution einleiten, ich habe es deutlich gesehen!“
„Er hat die Macht dazu, Gibram. Aber er hat sich noch keinesfalls endgültig entschieden. Geht Ihr zu ihm hin, mein Freund und überzeugt ihn!“
Endlich war es heraus. Das also wollte Luun von ihm.
Gibram atmete tief. Das Schwindelgefühl war wie weggeblasen.
Wer war dieser Luun und welche Absichten verfolgte er?
Und woher hatte er seine Informationen?
All das erregte in Gibram Misstrauen. Doch die Stimme Luuns war vertrauenswürdig und seine Augen ehrlich.
„Wie sollte ich ihn überzeugen? Er ist ein Gott - ich nur ein unbedeutender Sterblicher.“
„Führe ihn in die Wüste. Führe ihn nach Kwmsk und Fhrrtt und all die anderen sterbenden Oasen!“
„Aber warum könnt Ihr dies nicht tun?“
„Es ist Eure Aufgabe, Gibram, nicht die meine.“ Luun wandte sich um und ging langsamen Schrittes davon. Auf einer etwas entfernten Sanddüne drehte er sich noch einmal um.
„Vielleicht hängt es in diesem Moment von Euch ab, ob es je eine Revolution geben wird!“
„Ich weiß, dass sie stattfinden wird! Ich habe sie gesehen!“, rief Gibram dem Fremden zu, aber dieser achtete nicht mehr auf ihn. Er hatte sich abgewandt und war irgendwo in der Dunkelheit verschwunden.
Er ist wahnsinnig! Er muss sterben!, erkannte Gibram plötzlich.
Kein Mann der äußeren Länder (und für einen solchen hielt Gibram Luun) konnte allein in der Wüste überleben! Und schon gar nicht ohne Reittier!
„Bleibt hier, Herr Luun! Bleibt hier!“ Aber seine Worte verhallten ungehört. Der immerwährende
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