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Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)

Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)

Titel: Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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gehorchen?
    Einmal abgesehen davon, dass ein Großteil meiner Zeitgenossen allein eine solche Frage schon für Frevel und Verrat am Höchsten und Heiligsten hält, ist sie doch, wie ich denke, von einigem Interesse –
    und gar nicht so einfach zu beantworten.
    Vielleicht verhält es sich so, dass ein Mensch, der seine eigene Person als nicht sehr wertvoll betrachtet, sich diesen, wie er meint,
    ‚fehlenden Wert’ borgt, indem er sich einer Gottheit unterordnet oder auch einem charismatischen Führer und damit Teil hat an dessen Macht und Glanz.
    Wie aber wächst in einem Menschen das Bedürfnis, den Göttern zu trotzen?
    Vielleicht aus demselben Grund, nämlich aus dem Glauben heraus, nicht genügend Wert allein durch die eigene Person zu besitzen. Aus der Überzeugung heraus und sei sie auch noch so irrig, nur dann genügend gelten zu können, wenn da niemand mehr ist, der mächtiger ist, dessen Glanz heller strahlt und der über einem zu stehen scheint.
    *
    Es war auf einer jener unzähligen Festlichkeiten und Gelage, die im Hause Dergon abgehalten wurden.
    Ein Dichter von zweifelhafter Qualität namens Drasque trug seine Verse vor, die die meisten der Anwesenden - unter anderem auch mich
    - zu Tode langweilten.
    Aber die hohen Herrschaften liebten es, sich mit derartigen Leuten zu umgeben, bewies es doch, dass man einen Sinn für Kultur hatte.
    Nun, während der Poet seine Zeilen in den Saal schmetterte und der eine oder andere doch erhebliche Mühe hatte, ein Gähnen zu unterdrücken, fiel mein Blick auf Lakyr – und ich sah, dass der Hausherr mit seinen Gedanken sicherlich auch meilenweit von den Begebenheiten voll blutvoller Leidenschaft und Übertreibung entfernt war, die der Dichter mit seinem Werk zu beschwören suchte. Außer Bediensteten und Freunden, die hin und wieder für einige Zeit bei ihm weilten, wohnte niemand in seinem Haus. Die Eltern waren zurzeit der letzten Pestepidemie, die Palniarak heimgesucht hatte, dahingesiecht, ein Bruder war Waffenhändler in Rôlsur – weit im Osten gelegen –
    und eine Schwester, mit einem angesehenen palniarakischen Bürger verheiratet, hatte den Tod im Kindbett gefunden.
    Lakyr bemerkte in diesem Moment, dass ich ihn beobachtete, und erwiderte meinen Blick. Ich weiß nicht, was in diesem Augenblick in seinem Kopf vor sich ging, aber vielleicht begann hier so etwas wie Freundschaft.
    Dann hatte der Dichter seinen Vortrag beendet und das Publikum klatschte artig, einige der Damen ließen sich sogar zur Exaltiertheit hinreißen.
    „Bemerkenswert, diese Ausdrucksstärke! Ich bin regelrecht gerührt!“, hörte ich Dlaguna-a-Luason sagen, die Frau des gegenwärtigen Bürgermeisters von Palniarak, welcher ihr nickend beipflichtete.
     
    Natürlich wagte niemand, sich kritisch zu dem Dargebotenen zu äußern, denn das wäre einerseits dem Gastgeber gegenüber unhöflich gewesen und hätte den Betreffenden zusätzlich dem Verdacht ausgesetzt, keinen Sinn für Poesie zu haben und nicht wirklich begreifen zu können, was der Dichter zum Ausdruck bringen wollte.
    „Gedichte, die das Wirken der Götter verherrlichen!“, meldete sich Sringos, seines Zeichens oberster Priester des Arodnap-Tempels von Palniarak, zu Wort. „Kann ein Poet etwas Sinnvolleres schaffen?“ Ich hörte, wie Lakyr-a-Dergon ein heiseres und keineswegs wohlwollendes Lachen von sich gab. Es war hohntriefend und bewirkte, dass sich sowohl auf der Stirn des Priesters wie auf der des Dichters selbst tiefe Furchen des Missbehagens bildeten.
    „Hat Euch mein Vortrag etwas nicht gefallen, Herr Lakyr?“, fragte Drasque gereizt. „So sagt es mir frei heraus! Kritisiert mich, so kann ich mich rechtfertigen.“
    Lakyr nahm einen Schluck Wein aus seinem Becher und musterte den Poeten nachdenklich. Dann entschied er offensichtlich, dass ein Streit um die Kunst mit diesem Menschen nicht lohnte.
    „Oh nein, ich habe nicht über Euren Vortrag gelacht. Und es lag mir ganz gewiss fern, Euch, Herr Drasque, angreifen zu wollen. Nein, mein Spott galt der Bemerkung unseres ehrenwerten Priesters Sringos.“
    „Was war an seiner Bemerkung auszusetzen?“, ereiferte sich Drasque.
    „Eigentlich nichts, denn schließlich kann man von jemandem wie ihm kaum erwarten, dass er etwas anderes sagt. Ich für mein Teil denke, dass es für Poeten sinnvollere Aufgaben gibt, als die Götter zu verherrlichen.“
    „Jedem anderen wäre ich jetzt vielleicht Gram“, entgegnete Sringos gelassen. „Aber ich kenne Euch zu lange, um

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