Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
drang.
Seltsame Gestalten drängelten sich am Schanktisch und ein gelbliches Dämmerlicht ging von einigen mit Ornamenten verzierten Lampen aus. Ihr Schein warf gespenstische Schatten auf die Gesichter der Zechenden.
Edro kümmerte sich nicht um sie und trat ans Fenster. Der Düstere war noch immer dort, wo Edro ihn zum letztenmal gesehen hatte.
Nichts hatte sich an seiner Stellung geändert.
Er wartet auf mich, wurde es dem Dakorier nun plötzlich klar.
Aber was will er bloß von mir? Was habe ich mit ihm zu schaffen?
"Seht, Leute! Der da wirft keinen Schatten!", sagte jemand.
Plötzlich trat Schweigen in der Taverne ein.
Edro wandte sich zu den Männern um, deren Blicke starr und von Erstaunen geprägt auf ihn gerichtet waren.
Und nun bemerkte auch Edro es: Er warf keinen Schatten, wie es die anderen taten. Er konnte sich drehen und wenden, wie er wollte, er warf keinen Schatten!
Er riss die Tür aus und hetzte wieder in die Dunkelheit der Nacht, die vor ihm wie ein riesiger, schwarzer Schlund gähnte. Da sah er den Düsteren immer noch dort stehen, wo er ihn zum letzten Mal gesehen hatte.
Er wartet auf mich!
War dieses Etwas sein Schatten?
Edro wusste nicht, wie er auf diesen Gedanken gekommen war. Es war eine erschreckende Idee.
Edro stand nun vor der Entscheidung, ob er einfach davonlaufen oder sich dem Schatten stellen sollte.
Er näherte sich dem Düsteren bis auf wenige Schritt.
"So sieht man sich wieder, Herr Edro!", sagte der Düstere.
"Ihr kennt mich?"
"Wundert Euch das?"
Nein. Es wunderte ihn nicht, stellte er seltsamerweise plötzlich fest. Er wusste nicht warum. Noch nicht.
"Ihr verfolgt mich!"
Der Düstere zuckte mit den Schultern.
"Wundert es Euch? Es ist mein Schicksal, Euch zu folgen!"
"Lasst mich in Zukunft in Ruhe, Fremdling oder es wird Euch schlecht ergehen! Ich will mit Euch nichts zu schaffen haben!"
Mit diesen Worten ging Edro an dem Düsteren vorbei.
"Es geht nicht danach, was Ihr wollt, Herr Edro! Ich gehöre zu Euch, ob Ihr`s nun wollt oder nicht! Und nicht einmal die Götter könnten etwas daran ändern!", rief ihm die düstere Gestalt nach.
Edro blieb einen Augenblick lang stehen und wandte sich um, ehe er dann in der Finsternis der Nacht verschwand.
Der Dakorier hatte die Nacht (oder besser gesagt den Rest davon) in einer Mauernische verbracht.
Als im Osten der Morgen graute, wachte er durch die ersten Sonnenstrahlen dieses neuen Tages auf.
Ja, er wusste jetzt, was er zu tun hatte: Er musste Rolsur verlassen.
Wenn er ewig hierblieb, würde er niemals nach Elfénia gelangen.
Die Schwarze Blume des Todes...
Noch immer hielt der Gedanke an sie Edro gefangen.
Ja, es konnte gut sein, dass er eines Tages nach Rolsur zurückkehrte, um sich von der schwarzen Blume umarmen zu lassen, um sich in ewiges Vergessen sinken zu lassen - um zu sterben.
Aber noch war es nicht soweit. Noch war nicht erwiesen, dass es dieses Land Elfénia nicht gab.
Noch bestand Hoffnung.
Wohin sollte er sich wenden?
Ratlos schlenderte er am Hafen entlang. Jetzt stand er genau an der Stelle, wo er in der vergangenen Nacht zum ersten Mal den Düsteren getroffen hatte.
Allein schon der Gedanke an jene Kreatur, die nichts mehr zu sein schien, als ein furchtbarer, kalter Schatten, jagte Edro Schauder über den Rücken.
Ja, auch der Düstere war ein Grund dafür, dass es ihn danach verlangte, diese schreckliche, verkommene Stadt endlich zu verlassen.
Es war zu dieser frühen Stunde noch nicht viel los im Hafen von Rolsur und so stand Edro einsam da und starrte gedankenverloren dem Spiel zu, welches die vom Wind bewegten Wellen mit den fest vertäuten Schiffen trieb.
Und dann bemerkte er es zum zweitenmal: Er warf keinen Schatten. Alles, was von der friedlichen, kühlen Morgensonne bestrahlt wurde, warf Schatten - nur Edro nicht.
Für einen Moment befiel ihn ein Anflug von Panik, aber dann fasste er sich. Was machte es schon, keinen Schatten zu haben? Aber da war noch eine andere Frage, die immer bohrender in ihm wurde: Wo war Edros Schatten geblieben?
Die Leute machten einen großen Bogen um Edro, denn er kam ihnen nicht ganz geheuer vor. Neugierig starrten sie ihn an, aber er kümmerte sich nicht um sie. Er ging zum Liegeplatz eines etwas größeren Schiffes. Es beförderte Passagiere, das war leicht zu sehen.
"Wohin fährt dieses Schiff?", fragte er einen der an Deck befindlichen Matrosen.
"Nach Balan!", erklärte der Gefragte etwas missmutig. Nach Balan. Balan war zwar nicht
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