Elfen wie Diamant
verbrannte, dass diese rot glühten. Sobald sie die Pier erreicht hatte, rannte sie hinter Chayii her, ohne genau zu wissen, was sie eigentlich tun wollte. Sie fühlte sich so hohl wie ein Schilfrohr. Ihr Körper verfügte nur noch über eine letzte Kraftreserve, die sie noch nie zuvor angezapft hatte.
Hinter ihr gellten Schreie, als die Männer die beiden Frauen bemerkten, die über die Pier rannten. So also fühlt sich das für Konowa an, dachte sie, während sie so schnell sie konnte über die freie Fläche rannte. Kein Plan, nur ungehemmter Rausch.
Sie erreichte Chayii, als die Rakkes sich ihnen bis auf fünf Meter genähert hatten. Sie bückte sich, hob eine zerbrochene Fassdaube auf und schwang sie als Waffe. Konowas Herangehensweise
an gefährliche Situationen war nur die eine Seite der Medaille, das wurde ihr zunehmend klarer.
»Was machst du hier drauÃen?«, schrie sie Chayii an, während sie sich der alten Elfe näherte, bis sie Rücken an Rücken standen, als die Rakkes sie umzingelten.
»Ich kann Tyul und Jir nicht alleine zurücklassen. Sie sind Unschuldige. Sie folgen uns dorthin, wohin wir sie führen. Es ist unsere Pflicht, sie zu beschützen«, sagte sie.
Visyna konnte plötzlich Konowas Enttäuschung und seinen Grimm über die Elfen der Langen Wacht begreifen. Sie dachten tatsächlich in höchst uneigennützigen Begriffen, bis hin zu dem Punkt, dass sie den sicheren Tod in Kauf nahmen. Und sie war hierhergerannt, um ihr beizustehen!
»Chayii, hör doch, Jir und Tyul sind geborene Killer! Wir sind es, die ihre Hilfe brauchen«, sagte sie und schwang die Fassdaube vor sich, obwohl sie wusste, dass sie ein ergrimmtes Rakke damit schwerlich aufhalten würde. Sie spielte mit dem Gedanken, vom Schiff Hilfe herbeizurufen, aber immer mehr Zweige waren aus dem Wasser aufgetaucht und klammerten sich an das Schiff, während die anderen Schiffe unaufhörlich ihre Kanonen abfeuerten, sodass man in dem Tumult absolut nichts hören konnte.
»Ich bin nicht ohne einen Plan hierhergekommen, mein Kind«, antwortete Chayii. Ihre Stimme klang überraschend ruhig.
»Also gut, dann führ ihn aus!«
Chayii drehte sich herum und legte eine Hand auf Visynas Schulter. »Sag meinem Sohn, sag ihm ⦠dass ich nichts lieber getan hätte, als meine Enkelkinder schrecklich zu verwöhnen.«
Bevor Visyna antworten konnte, drehte sich Chayii erneut um und hob die Hände zum Himmel. Sie begann zu singen, in der Sprache der Elfen, und augenblicklich veränderte sich
die Welt um Visyna. Tiefe, mächtige, weit entfernte Stimmen erfüllten die Luft. Sie erinnerte sich daran, dass sie so etwas schon einmal gehört und gefühlt hatte, damals, als Tyul seine Schwurwaffe eingesetzt hatte, aber dies hier war anders. Etwas fügte seine Macht zu diesem schweren Dröhnen hinzu, etwas aus der Nähe.
»Was machst du da?«, fragte sie, als sie spürte, wie die Textur der Natürlichen Ordnung um sie herum zu reiÃen begann.
Die alte Elfe sang weiter und ignorierte sie. Die Rakkes heulten und fletschten ihre Zähne, aber keines von ihnen wagte es, sich ihnen zu nähern. Es wurde heller. Zuerst konnte Visyna die Quelle dieser Helligkeit nicht erkennen, doch dann sah sie, dass der Hauptmast der Schwarzer Stachel glühte. Sie blinzelte und schaute noch einmal hin. Sie hätte schwören können, dass einen winzigen Moment lang ein gewaltiger Baum dort gestanden hatte, wo sich der Mast befand.
»Chayii?«
»Ich tue, was ich tun muss, mein Kind«, erwiderte sie. In ihrer Stimme schwang so etwas wie Freude mit, jedenfalls empfand Visyna das so. »Wir sind die Diener dieser Welt. Wenn wir sie durch unser Opfer retten können, ist es nur ein geringer Preis, den wir zahlen.«
Visynas Widerspruch wurde durch eine Explosion von reinem, goldenen Licht hinweggewischt. Sie drehte sich um und betrachtete staunend, was sie da sah. Der Mast der Schwarzer Stachel, der einst der Stamm von Jurwans Ryk Faur gewesen war, nach dem man das Schiff benannt hatte, löste sich in eine Million strahlender Energiepunkte auf. Sie wirbelten umher, als wären sie von einem Wind erfasst, den nur sie spüren konnten, bevor sie sich zu der Form einer schimmernden, durchscheinenden Wolfseiche vereinten, die stolz auf dem Deck des Schiffs stand.
Die Blätter der Wolfseiche auf dem Schiff begannen zu
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