Elfen wie Feuer
tatsächlich ⦠gewisse Fähigkeiten«, gab Rallie zu.
Visyna beschloss, das Thema weiterzuverfolgen. »Ist das etwas, das du mich lehren kannst?«
Rallie drehte den Kopf ein Stück zur Seite und sah Visyna an. »Du webst eine Magie, die ich nicht einmal im Traum verstehen würde. Du pflückst und webst die Essenz aus der Welt um dich herum. Was ich mache, ist etwas vollkommen anderes, und nicht annähernd so umfassend.«
»Ihr Emissär hatte jedenfalls Angst vor dir, dort in Luuguth Jor. Dieses Wesen sagte, dies hier wäre nicht deine Zeit. Was hat er damit gemeint?«
Rallie sah wieder geradeaus. Der Planwagen rollte rumpelnd über die Pflastersteine an den Menschen vorbei. Links von ihnen tauchte ein freier Platz auf, in dessen Mitte einige dicke Palmen standen. Visyna wollte es gerade noch einmal versuchen, als Rallie antwortete.
»Ich bin mir nicht ganz sicher, was ihr Emissär meinte. Ich habe zwar eine Theorie, aber darüber kann ich noch nicht mit
dir sprechen. Aber, Liebes, sag mir«, fuhr sie fort, »für wie alt hältst du mich?«
Visyna erinnerte sich daran, dass an Bord der Schwarzer Dorn eine ähnliche Frage aufgekommen war, und entschloss sich, behutsam vorzugehen. »Anfang ⦠fünfzig«, meinte sie schlieÃlich, obwohl sie eigentlich vermutete, dass Rallie wahrscheinlich eher siebzig, vielleicht sogar achtzig Jahre alt war.
Rallie lachte und schlug sich mit der Hand auf den Schenkel. »Anfang fünfzig! Oh, du bist wirklich ein Honigtöpfchen, stimmtâs? Das Problem daran ist«, sie senkte ihre Stimme wieder, »dass ich nicht die geringste Ahnung habe. An die letzten zweihundert Jahre kann ich mich sehr gut erinnern, aber die Zeit davor verschwimmt in einem Nebel.«
Visyna setzte sich stocksteif auf. »Zweihundert Jahre? Hast du Elfenblut in deinen Adern, oder liegt es an deiner Magie?«
Rallie sah sie abschätzend an. »Das ist es ja, ich weià es nicht. Es gibt Erinnerungsfetzen in meinem Kopf, die so klar sind, wie eine Glocke an einem kalten Wintermorgen klingt, und trotzdem kann ich mich nicht daran erinnern, an diesen Orten gewesen zu sein oder diese Dinge getan zu haben. Es ist wirklich faszinierend.«
»Warst du verhext? Wie weit reichen deine Erinnerungen zurück?«, erkundigte sich Visyna. Sie hatte gewusst, dass Rallie ihre Geheimnisse hatte, aber das hier war wirklich verblüffend ⦠und auch ein bisschen unheimlich. Wer war diese Frau?
»Es gibt Ereignisse, an die ich mich eigentlich nicht erinnern dürfte«, meinte Rallie und rieb sich die Nase. Visyna begriff, dass diese Geste auch dazu diente, ihren Mund zu bedecken, während sie sprach. »Etwa Erinnerungen daran, wie die Sterne geboren wurden.«
Visyna hatte so viele Fragen im Kopf, dass sie fast nicht sprechen konnte. »Wie kann das möglich sein? Was hat es zu bedeuten?«
»Genau daran, Liebes, arbeite ich gerade. Im Moment habe ich noch keine befriedigende Antwort, sondern eher, genau wie du, viele gute Fragen. Ich hatte gehofft, dass meine Anwesenheit in Luuguth Jor mehr von diesen Erinnerungen erschlieÃen würde, und so ist es auch gekommen. Aber leider enthüllen sie ihre Geheimnisse trotzdem nur langsam. Ich muss einen Weg finden, um das zu beschleunigen, weil ich allmählich glaube, dass all die Dinge, an die ich mich erinnere, sehr nützlich sein könnten.«
»In Luuguth Jor hast du den Stern willkommen geheiÃen, als würdest du ihn kennen.«
Rallie sah sie wieder an. »Nun, ich glaube, das tue ich auch, aber ich kann ums Verrecken nicht herausfinden, wie das alles zusammenhängt oder warum das so ist. Es fehlen einfach zu viele Teile des Puzzles. Ich hoffe nur, dass ich hier ein paar Lücken schlieÃen kann.« Sie sah sich in der Stadt um, als der Planwagen weiterrollte.
Eine Weile saÃen sie schweigend nebeneinander. Visyna versuchte sich vorzustellen, was das alles bedeuten konnte. War Rallie wirklich über zweihundert Jahre alt? Oder noch viel älter, und wenn ja, wie alt? Konnte sie wirklich schon da gewesen sein, als die Sterne geboren wurden? Aber warum hatte jemand mit so viel Macht ein so schlechtes Gedächtnis? In diesem Moment kam Visyna ein Gedanke.
»Kaman Rhals verschollene Bibliothek hat vielleicht â¦Â«
»⦠einige der Antworten, die ich suche«, beendete Rallie ihren Satz. »Ja, dieser Gedanke ist
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