Elfen wie Stahl
kleine Falten auf, die ihre Weisheit und Schönheit nur betonten. Sie war wie Irkila auf eine Art und Weise gekleidet, die es ihr erlaubte, vollkommen mit dem Baum zu verschmelzen. Es war schwer zu sagen, wo der Baum endete und sie begann.
»Ich will verstehen, Chayii Rote Eule, aber seine Worte ergeben keinen Sinn. Seine Gefährten und er tragen die Kleidung der Gezeichneten und werden doch von den Kreaturen gejagt, die sie geschaffen hat. Sie suchen nach dem Oststern, scheinen aber nicht an ihn zu glauben. Und sie folgen Befehlen, die sie nicht verstehen.«
Chayii lächelte. »Ihre Wege sind nicht die unseren. Geh und hilf den Kindern dieses Haines. Viele wurden während des Kampfes verletzt, ihre Stämme von Metall gezeichnet, ihre Blätter vom schwarzen Frost verbrannt. Ich möchte mit Alwyn vom Imperium sprechen.«
Irkila nickte und nahm die Hand von seiner Schulter. Im selben Moment wurden die Geräusche des Waldes leiser, und er schüttelte den Kopf.
Er sah ihr nach, wie sie über den Ast zum Stamm des Baumes ging und dann einfach verschwand. Es war eine beeindruckende Magie.
»Keine Magie«, widersprach Chayii seinen Gedanken, »sondern
Verstehen. Doch viele Dinge sind noch verschleiert, und ich suche dein Licht. Wirst du mich führen?«
Er erschrak und nickte dann, während er sich gleichzeitig wünschte, in eine Zeit zurückkehren zu können, in welcher der einzige Elf, den er kannte, Schuhe gemacht hatte, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und keinerlei Interesse daran gezeigt hatte, seine Gedanken zu lesen.
»Dann sag mir, Stählerner Elf, wer ist derjenige, den du Meri nennst?«
38
ALWYNS HERZ HÃMMERTE heftig in seiner Brust, und zum zweiten Mal fürchtete er, aus der Astgabel zu fallen.
»Ihr habt ihn gesehen?«
Chayii schloss die Augen und atmete langsam aus. Als sie ihre leuchtenden braunen Augen wieder aufschlug, starrte sie ihn eindringlich an. »Ich habe ihn gespürt, so wie ich alle Störungen in der Natürlichen Ordnung spüre. Er verweilt in dieser Welt, aber ich weià nicht, durch wen oder was er hier gebunden ist.«
Die Elfe spürte Meri. Das bedeutete, Alwyn war nicht verrückt. »Er ist vor ein paar Tagen gestorben. Wir haben ihn da drauÃen auf der Ebene der Schlingpflanzen begraben, aber ich habe ihn seitdem einige Male gesehen. Ich glaube ⦠Ich glaube, dass er mich beschützt.«
Sie spitzte die Lippen. »Nekromantie vergiftet die Natürliche Ordnung. Das ist ihr Werk.«
Alwyn gefiel ihre Antwort gar nicht. »Hört, Mistress Rote Eule, ich weià nicht, was hier vorgeht, aber ich weiÃ, dass Meri zu seinen Lebzeiten ein guter Mensch war, und für mich sieht es so aus, als wäre er das auch im Tode. Vermutlich klingt das nicht besonders sinnvoll, aber andererseits sitze ich hier in einem Baum mit Elfen, die über Magie, Geister und die Natürliche Ordnung reden, von der ich, um ehrlich zu sein, gar nicht wusste, dass es sie gab. Ich wünschte, ich
könnte es erklären, aber ich weià wirklich nicht, was hier vorgeht.«
Chayii lächelte ihn an, und diesmal flöÃte ihm das keine Angst ein. Bevor sie jedoch antworten konnte, hallte ein Vogelschrei durch den Wald. Augenblicklich antworteten ihm andere Vögel. Chayii lauschte aufmerksam, den Kopf zur Seite geneigt und die Augen geschlossen. Nach einigen Augenblicken schlug sie sie wieder auf, hob ihr Gesicht zum Mond und stieà eine Reihe trillernder Laute aus. Alwyn hätte geschworen, dass sie von einem Vogel stammten, wenn er sie nicht dabei beobachtet hätte. Andere Vögel antworteten ihr, dann verstummte der Wald. Sie drehte sich zu ihm herum, und ihr Lächeln war verschwunden.
»Es wird Zeit für Antworten«, erklärte sie und hob eine Hand über ihren Kopf. Sie begann zu singen, und eine dicke Schlingpflanze rollte sich von einem Zweig ab und in ihre offene Hand. Daraufhin änderte sich ihr Gesang, und das Ende der Schlingpflanze glitt über ihre Hand zu Alwyn. Er lehnte sich zurück, aber sie war bereits über seine Beine geglitten und wand sich um seinen Körper wie eine Würgeschlange. Sekunden später war er festgebunden, aber nicht so fest, dass es wehtat.
Chayii trat neben ihn, nahm das Blatt, auf dem der Pfeil lag, und achtete darauf, den Pfeil selbst nicht zu berühren. Dann nahm sie die Schlingpflanze in die andere Hand, und erneut
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