Elfen wie Stahl
erinnerte sich an seine Zeit auf der Geburtswiese. Er sah die Schattenherrscherin, wie sie die silberne Wolfseiche
in den Armen hielt und sich verzweifelt bemühte, sie zu retten. Er verstand ihr Bedürfnis, und er verstand auch, warum er dem niemals nachgeben durfte.
»Der Stern muss hierbleiben, wo er hingehört.«
Die ersten Strahlen des Sonnenlichts glitten über den Horizont und tauchten die Blätter des Schösslings in ein warmes, pulsierendes Licht. Der Stern am Himmel verblasste und verschwand, noch während der Baum zu glühen begann. Seine Blätter blitzten wie Tausende von Sternschnuppen.
Dann ging er in Flammen auf.
55
ETWAS ZUPFTE AM Verstand des Vizekönigs. Er galoppierte langsamer und versuchte, aus dem Gefühl schlau zu werden. Im nächsten Moment gellte ein Schrei durch seinen Kopf, der ihm viel zu bekannt vorkam und bei dem ihm schwindlig wurde. Das Pferd bäumte sich auf und wieherte grell, schnappte mit den Zähnen in die Luft, bis sie splitterten, aber der Schrei wollte einfach nicht enden.
Der Tisch! Der Schmerz war jenseits allen Fassungsvermögens. Es war kein Vergleich zu dem Schmerz durch das Feuer zuvor. Und schlimmer noch, diesmal war er nicht da, um ihn zu beschützen. Jeder Gedanke an Rache und an den Stern war wie weggewischt, als die Schreie an Intensität zunahmen. Er bemühte sich nach Kräften, das Pferd zu kontrollieren, riss es herum, rammte ihm die Sporen tief in die Flanken und galoppierte, so schnell er konnte, zum Palast zurück.
Furcht und Qual trieben das Pferd immer schneller voran. Jedes Zeitgefühl löste sich auf. Er ritt, während die Schreie in seinem Kopf widerhallten, bis auch er schrie. Der Schmerz war so echt, als wäre es sein eigener.
Er ritt mit absoluter Hingabe, und seine Hände krampften sich so fest um die Zügel, dass das Leder in seine neue Haut eindrang. Das Pferd unter ihm wurde nicht müde, und es rannte wie wahnsinnig. Der Boden fegte unter ihnen vorbei, als das Pferd schneller lief als jedes andere Ross, das der
Vizekönig jemals geritten hatte, und dennoch war es nicht schnell genug.
Es war zunächst der Geruch, der die Sinne des Vizekönigs malträtierte, als er im Hinterhof seines Palastes anhielt. Es war ein beiÃender, trockener Gestank, der selbst den feuchten Geruch des Pferdes unter ihm überlagerte. Er riss die Hände von den Zügeln, spürte kaum das Brennen seiner zerfetzten Haut, rannte in den Palast und nahm vier Stufen der Treppe auf einmal, die zu seinem Schlafgemach führte.
Er stürmte in sein Schlafzimmer und sah die zertrümmerte Tür. Er trat hindurch, während er am ganzen Körper vor Furcht und Wut zitterte. Nach zwei Schritten blieb er stehen. Das Entsetzen darüber, was sich seinem Blick bot, war zu groÃ, als dass er sich ihm weiter hätte nähern können.
Ihre Schöpfung, der Ryk Faur ihres Emissärs, seine Macht ⦠Es war jetzt nur noch ein einziges, auf dem Kopf stehendes Bein, über dessen Drachenklaue jemand ein Häkeldeckchen gelegt hatte. Darauf stand ein kleiner Topf mit einem Farn. Ein Flügelrascheln am Fenster veranlasste ihn, sich umzudrehen. Auf dem Fensterbrett hockte der weiÃe Vogel.
»Sieht viel besser aus, wenn Ihr mich fragt«, erklärte der Herzog von Harkenhalm, der hinter ihm in der Tür auftauchte. »Das verleiht dem Raum eine heimeligere Atmosphäre.«
Der Vizekönig riss den Blick von dem Pelikan los, wirbelte auf dem Absatz herum und ballte die Hände zu Fäusten, als er sich vorbereitete, dem Herzog die Seele aus dem Leib zu reiÃen. Doch bevor er dazukam, traf ihn etwas GroÃes, Schweres im Bauch und schleuderte ihn zu Boden.
Er sah hinunter auf einen groÃen Beutel; Asche und verbrannte Holzsplitter verteilten sich auf den Steinen um ihn herum.
»Ich dachte, Ihr hättet das vielleicht gern, als Souvenir sozusagen«,
bemerkte der Herzog, der gelassen in den Raum schlenderte. Andere Soldaten der Kavallerie des Herzogs standen neben der Tür, ebenfalls entspannt. Ihre Hände ruhten auf Säbelgriffen und Pistolenknäufen.
Der Vizekönig sprang auf, und die Kapuze seines Umhangs fiel herunter.
Der Herzog drehte sich zu ihm herum, und ein strahlendes Lächeln machte sich auf seinem vernarbten Gesicht breit. »Sieh an, sieh an. Offenbar war der Tisch nicht das Einzige, das gebraten wurde.«
»Dafür werdet Ihr
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