Elfen wie Stahl
Majestät â¦Â«
»Ruhe!« Der Elf starrte einen Moment Alwyn an, bevor er seinen Blick wieder auf den Zwerg richtete. Das helle Mondlicht tauchte sein Gesicht halb in Schatten und verschleierte die scharfen Gesichtszüge, die Alwyn kannte. Aber es waren seine Augen, bei denen Alwyn eine Gänsehaut bekam. Sie leuchteten grün in der Nacht wie die einer Katze.
»Was habt ihr erschossen?«
»Es war kein Offizier, ganz und gar nicht«, antwortete Yimt und schob mit der flachen Seite seines Schwertes den Kopf zu dem Elf. »Das heiÃt, wenn man sein Gesicht rasiert und es in eine Uniform steckt, würde man vielleicht keinen Unterschied bemerken â¦Â«
» Ki rakke ⦠!«, stieà Korporal Kritton hervor.
Yimt sah Alwyn an und verzog das Gesicht zu einer abschätzigen Grimasse, bevor er sich wieder dem Elf zuwandte.
»Ihr habt ganz recht, Korporal, es ist ein Rakke«, sagte Yimt und senkte seine Stimme eine Oktave. »Ally hat davon geredet, dass sie längst ausgelöscht wären und so weiter, aber ich habe das nie geglaubt. Ihr kennt ja die Geschichten, wie diese Elfenhexe Kreaturen ihrem Willen unterwirft. Soweit ich weiÃ, hockt diese Schattenherrscherin immer noch auf ihrem kleinen Berg. Also denke ich mir, solange sie da ist, sollten diese Kreaturen es auch sein.«
Korporal Kritton drehte sich so schnell um und starrte den Zwerg an, dass Alwyn glaubte, er würde Yimt angreifen. Einige
Sekunden lang sagte Kritton gar nichts, dann lächelte er. Der Inhalt von Alwyns Magen gefror zu einem Stein.
»Ihre Majestät bezahlt dich nicht für deine Meinung. Ich glaube, wir haben hier einen Fall von Pflichtvernachlässigung, weil einem Feind des Imperiums gestattet wurde, sich unseren Linien so weit zu nähern«, sagte Kritton. »Dafür sollte ich dich auspeitschen lassen.«
»Auspeitschen?« Yimt warf sich in die Brust und sah die restlichen Soldaten an, die sich um sie versammelt hatten. »Wir haben heute Abend nur unsere Linien verteidigt, wie wir es jedes Mal tun, wenn wir Wache haben. Stimmt das nicht, Ally?«
Alwyn wollte etwas sagen, aber obwohl sich sein Mund öffnete und schloss, kam kein einziges Wort heraus. Ein durchgedrehter Zwerg, ein Monster aus einem Märchenbuch und ein wahnsinniger Elf als Korporal; und all das nur, weil er dachte, eine Uniform zu tragen würde den Frauen imponieren.
»Seht Ihr, Ally ist über Eure Annahme, dass wir unsere Pflicht vernachlässigt hätten, so schockiert, dass ihm die Worte fehlen.« Yimt betrachtete Alwyn mit echter Sorge. »Ich sage Euch etwas, Korporal. Ihre Majestät soll Ihren Orden behalten. Wir lassen uns unsere Belohnung in Bier auszahlen, dann sind wir quitt.«
Wenn ich viel, viel Glück habe, dachte Alwyn, falle ich in Ohnmacht, bevor sie mit dem Auspeitschen beginnen.
7
ALS DIE SONNE an ihrem zweiten gemeinsamen Tag unterging, redete Konowa sich ein, dass er Visyna durch den Wald führte. Er glaubte das, weil sein Ego die Alternative nicht zulassen konnte.
In noch nicht allzu ferner Vergangenheit hatte er das beste Regiment Soldaten der Calahrischen Imperialen Armee in den Kampf geführt und es vor allem auch jedes Mal wieder nach Hause gebracht. Den Vizekönig zu töten war für ihn nur eine weitere Schlacht gewesen, durch die er eine Bedrohung gegen das Imperium abgewendet hatte.
Der Vizekönig war mit ihr im Bunde gewesen, und von allen Dingen auf der Welt, die Konowa verachtete â eine wahrlich lange Liste â, war Loyalität zur Schattenherrscherin das allerschlimmste. Schon ihre bloÃe Existenz war ein Makel für alle Elfen des Hyntalands, ganz besonders für jene wie Konowa. Unwillkürlich glitt seine Hand zu seiner zerfetzten Ohrspitze.
Ihm war nicht klar gewesen, dass es einem einen Orden einbrachte, wenn man hundert Feinde in einer Schlacht tötete; tötete man jedoch in Friedenszeiten, landete man vor dem Kriegsgericht.
»Tut es weh?«, wollte Visyna wissen. Ihre Frage brachte ihn in die Gegenwart zurück.
Rasch lieà er seine Hand sinken. »Was? Oh ⦠nein, nicht
wirklich. Man nennt es âºPhantomschmerzâ¹. Irgendwann vergisst man, dass es nicht mehr da ist«, log er und wünschte sich, er könnte aufhören, sich zu erinnern.
Sie legte den Kopf schief, womit sie ausdrückte, dass sie ihm nicht ganz glaubte, die Sache aber auf sich beruhen lieÃ.
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