Elfen wie Stahl
schien Löcher in Gwyn zu bohren.
Der Vizekönig richtete sich etwas gerader auf dem Stuhl auf. Vielleicht war der Herzog doch nicht so begriffsstutzig, wie er vermutet hatte. »Ich glaube nicht, dass Ihr die Ernsthaftigkeit der Lage begreift.« Er winkte einem anderen Lakaien. Der Elfkyna trat heran und legte eine lange lederne Röhre auf den Tisch, die er anschlieÃend öffnete. Ein wundervoll gegerbtes Schaffell glitt heraus, das der Lakai vorsichtig entrollte.
»Am ganzen Fluss entlang sind Festungen entstanden«, begann Gwyn und stand auf, um besser auf die Karte deuten zu können. »Hier, hier und hier. Schlimmer noch, meine Spione berichten, dass die Rebellen der Elfkynan bereits die Festung Taga Nor besetzt haben und ihre Mauern instand setzen. Die Situation ist wirklich ernst.«
Der Herzog beugte sich leicht vor, um einen besseren Blick auf das bunte Schaffell werfen zu können. Dann schnaubte er laut.
Bauer, dachte Gwyn, der die Karte liebevoll betrachtete.
Das gesamte Imperium von Calahr war wie die Waren eines Juweliers ausgestellt. Streifen aus Blattgold umrissen die äuÃeren Grenzen des Territoriums, das vom Imperium kontrolliert wurde. Gehämmertes Silber stellte die gröÃeren Flüsse dar. Bergketten waren mit zermahlenen Rubinen eingetragen,
und Celwyn, die Hauptstadt von Calahr, funkelte mit der ganzen Pracht eines seltenen vierkarätigen schwarzen Diamanten.
»Mit den Steinchen auf diesem Ding könnte man ein Dorf ein ganzes Jahr lang ernähren«, murmelte der Herzog.
»Aber weshalb denn?«, fragte Gwyn. Diplomatie war eine Kunst, etwas, was der Herzog ganz offenkundig nicht verstand. Selbst Monarchen waren beim Anblick dieser Karte zusammengebrochen und hatten geweint, wenn sie den Wohlstand und die Macht begriffen hatten, die hier gegen sie ins Feld zogen. Oft genügte es auch, die Karte als ein Geschenk anzubieten und dafür zu sorgen, dass ein besonders beeindruckendes Juwel als Hauptstadt des Reiches des jeweiligen Herrschers eingesetzt wurde; obwohl er natürlich niemals so groà war wie derjenige, der Celwyn repräsentierte. Ihre Majestät wünscht Eure Kümmernisse zu zerstreuen, dass vielleicht Eure Stimme im Kaiserlichen Imperium nicht gehört werden könnte. Hier seht Ihr die Bedeutung, die sie Eurer Meinung beimisst â¦
Die Karte war so ausgelegt, dass sich Celwyn im Mittelpunkt befand; das Zentrum der Macht, um das sich die Welt drehte. Dass sich die Stadt in Wirklichkeit mehrere Tausend Meilen nördlich des Ãquators befand, war von den kaiserlichen Kartografen ohne Probleme korrigiert worden.
»Hübsch. Bekomme ich eine für meine Tochter? Sie wird nächsten Monat fünf Jahre alt«, bemerkte der Herzog.
»Diese Angelegenheit ist nicht komisch«, fuhr Gwyn fort und streifte die Gesichter seiner elfkynischen Lakaien mit einem kurzen Blick. Wenn einer von ihnen lacht ⦠» Das Imperium sieht sich einer ernsten Bedrohung gegenüber.«
»Ich warte immer noch darauf, dass Ihr mir sagt, warum ich hier bin«, erwiderte der Herzog. Er klopfte mit den Stiefeln
auf den Tisch, wodurch Erdklumpen auf die Platte fielen; jedenfalls zog der Vizekönig es vor zu glauben, dass es sich um Erde handelte.
Gwyn schickte seine Lakaien mit einer Handbewegung hinaus. Sie verlieÃen stumm den zerstörten Thronsaal und lieÃen ihn mit dem Herzog allein.
»Sagt, wie steht es um Eure Ländereien?«
Der Herzog antwortete nicht, aber seine Augen blitzten blauer als irgendein Edelstein auf der Landkarte.
»Ich habe gehört, dass Weiden brachliegen und eine Seuche Eure Herden befallen habe«, fuhr Gwyn fort. Er gab sich Mühe, jeden Anflug von Selbstgefälligkeit aus seiner Stimme herauszuhalten. »Ein ausgesprochen bestürzendes Ereignis für den wichtigsten Pferdelieferanten Ihrer Majestät, habe ich recht?«
»Nicht der Rede wert«, stieà der Herzog zwischen den Zähnen hervor.
»Tatsächlich?« Gwyn wusste, dass er aufrichtig mitfühlend klang. Immerhin hatte er diesen Tonfall lange genug geübt. »Und ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass so viele kranke und sterbende Pferde vielleicht Eure Finanzen ungebührlich strapazieren könnten. Dennoch, es halten sich Gerüchte, dass Ihre Majestät gezwungen war, Pferde für ihre Kavallerieschwadronen aus entlegeneren Provinzen des Imperiums zu holen. Kaum auszudenken, was
Weitere Kostenlose Bücher