Elfen wie Stahl
Ruwl spitzte nur die Lippen. »Wenn Sie damit meinen, dass der Prinz den Studien der Natürlichen Geschichte und den Artefakten von seltener und besonderer Bedeutung zugeneigt ist, dann haben Sie allerdings recht. Das ist er.«
»Wie es der fabelhafte Oststern ist, der Stern von Sillra.« Konowa hatte endlich ein Puzzlestück an die richtige Stelle gelegt.
»Der Stern ist, wie ich bereits erwähnte, politisch gesehen
weit bedeutender, und man hat den Prinzen darüber aufgeklärt. Er hat mir versichert, dass er sich für Dinge interessiert, die entscheidend für den Fortbestand des Imperiums sind.«
Konowa glaubte, dass er den Marschall verstand, und dieses Wissen bereitete ihm Ãbelkeit. »Aha. Die Kaiserin spürt also ihr Alter, deshalb bereitet sie den jungen Rotzlöffel darauf vor, den Thron zu besteigen. Es wird Zeit, die Schriftrollen und die Teleskope gegen Schwert und Zepter einzutauschen. Kurz mal eine Rebellion ersticken, ein paar Legenden ausgraben und dabei noch einen hübschen Klunker erbeuten. Und mir wird die besondere Ehre zuteil, ihn bei dieser ganzen Erwachsen-werden-Ãbung zu bemuttern.«
Ruwl lief rot an. Seine Hand zuckte zum Säbel, packte jedoch nur den Knauf. Als er antwortete, wirkte sein Flüstern wie ein Pfeil, der durch Seide drang. »Ein Jahr allein in der Wildnis ist eine lange Zeit, vor allem in diesem Land. Einem Elf fällt es leichter, die weite Welt und die Verhaltensregeln zu vergessen, deshalb werde ich Ihnen diese Unverschämtheit hier und jetzt nachsehen. Wenn Sie jedoch dieses Zelt verlassen, sind Sie ein Offizier in der Armee Ihrer Majestät, und Sie werden sich wie einer verhalten. Oder ich werde Sie selbst in den Wald zurückbringen, und zwar Stück für Stück.« Der Marschall lieà seine Hand von dem Schwertgriff gleiten, wirbelte auf einem Absatz herum, stieà die Zeltklappen zur Seite und trat hinaus. Er lieà Konowa mit dem Magus allein.
Konowa starrte Ruwl hinterher, vollkommen unzufrieden mit der Art und Weise, wie sich die Ereignisse entwickelten. Es ging alles zu schnell, viel zu schnell.
»Es ist lange her, mein Junge«, sagte Blattflüsterer und bot Konowa eine Nuss an.
»Vielleicht nicht lange genug«, erwiderte Konowa, der immer noch auf die Zeltklappen starrte.
»Ah, dann war vielleicht deine Zeit mit der Natur doch förderlicher, als dein derzeitiges Verhalten und Aussehen nahelegen?« Er ignorierte Konowas Unhöflichkeit.
Konowa sagte mehrere Sekunden lang gar nichts, drehte sich dann herum und starrte den Magus kalt an. »Ich hasse den Wald immer noch, Vater.«
12
VISYNA LENKTE IHR Pferd zu der Baumgruppe am westlichen Rand des Armeelagers. Der Lärm und der Geruch von so vielen Soldaten an einem Ort waren beinahe überwältigend, und zudem erfüllte der beiÃende Gestank von Metall die Luft. Sie nutzte die erste Gelegenheit, dem zu entkommen. Nach ihrem Verschwinden letzte Woche waren die Männer ihres Vaters allerdings nicht geneigt, sie unbeobachtet irgendwohin gehen zu lassen, weshalb ihr vier Reiter in hundert Metern Entfernung folgten.
»Bleibt bitte da, wo wir Euch sehen können, Mylady!«, schrie einer der Reiter.
Visyna drehte sich im Sattel um und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Eine Lady benötigt manchmal Privatsphäre, vor allem nach dem Morgentee.«
Der Soldat zügelte sein Pferd, als stünde er am Rand einer Klippe. »Selbstverständlich, Mylady. Verzeiht bitte.«
Visyna drehte sich rasch um, um ihr Lächeln vor dem errötenden Soldaten zu verbergen. Sie schnalzte mit der Zunge und trieb ihr Pferd tiefer zwischen die Bäume, bis sie vor ihren Blicken verborgen war. Vermutlich blieben ihr zehn, vielleicht fünfzehn Minuten, bis sie nach ihr suchten. Das musste genügen.
Sie ritt noch eine Weile tiefer in den Wald, zügelte ihr Pferd und sprang behände auf den Waldboden. Das Pferd wieherte
leise, und sie fuhr mit der Hand über seinen Hals, genoss die bebenden Muskeln unter ihren Fingern.
»Bleib stehen«, flüsterte sie und ging zu Fuà weiter.
Die Gerüche hier waren wundervoll. Sie holte tief Luft und genoss das wunderbar frische Aroma von jungem Grün. Vögel zirpten und zwitscherten fröhlich, während um sie herum Insekten summten. Wie konnte er das nicht lieben?
Konowa. Er erregte und frustrierte sie, wie kein anderer es jemals gekonnt hatte, und sie
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