Elfenbann
dem stinknormalen Menschenleben zu Tode.«
Kaum, dass sie am Montag die Schule betreten hatte, hielt Laurel Ausschau nach Tamani. Was hatte er am Wochenende gemacht? Wie hatte er die neuesten Ereignisse verdaut? Außerdem wollte sie unbedingt wissen, ob er ihr so eine Leuchtkugel besorgen konnte. Für das Leuchtmittel würde sie ein paar Tage brauchen, doch sie sehnte sich danach, ihre neue Theorie bald an sich selbst überprüfen zu können.
Und zwar mit einem Stück ihrer eigenen Blüte.
Nach dem Duschen hatte sie gemerkt, dass der kleine Knubbel wieder wuchs. Dort, wo ihr Haar auf den Rücken fiel, kribbelte es so vertraut. Es war noch recht früh, aber der Sommer war wärmer gewesen als sonst und Mutter Natur konnte es anscheinend nicht abwarten, es Herbst werden zu lassen. Die Luft war deutlich kühler geworden und die Blätter verfärbten sich bereits. Die neblige Jahreszeit hatte ihren Anfang genommen und am frühen Morgen war es richtiggehend unangenehm. Wie jede andere Pflanze in Crescent City stand auch Laurel unter dem Einfluss des Wetters.
Doch selbst wenn Laurel damit gerechnet hatte, in diesem Jahr früh zu blühen, hatte es doch noch nie im September angefangen. Sie stand vor dem Spiegel und betrachtete
ihren Rücken, so gut es ging. »Es geht wieder los«, flüsterte sie verzagt.
Dazu hatte sie allerdings gar keinen Grund, denn sie hielt ihre Blüte zwar vor aller Welt, doch nicht vor ihrer Familie geheim. Nachdem ihre Lügen sie im vergangenen Jahr beinahe das Leben gekostet hatten – und nicht nur sie, sondern auch Chelsea –, hatte Laurel sich der Ehrlichkeit verschrieben. Und wenn sie bedachte, vor wie vielen Leuten sie ihr Geheimnis bewahren musste, war es ganz schön, zu Hause sie selbst sein zu dürfen. Ihre Eltern wussten über alles Bescheid, sie hatte ihnen gesagt, dass sie eine Elfe war und Tamani jetzt mit ihr zur Schule ging. Nicht einmal die Sache mit Yuki hatte sie ihnen vorenthalten.
Allerdings hatte sie nicht erzählt, wie es um ihre Gefühle für Tamani stand, und es als weniger wichtig heruntergespielt, dass Yuki eine Elfe war. Schließlich mussten ihre Eltern auch nicht alles, was in Laurels Leben passierte, bis ins Detail verstehen. Sie waren nicht dumm und sollten ihre eigenen Schlüsse ziehen.
Laurel konnte Tamani inmitten des Schülergewimmels nicht entdecken, doch David wartete an den Schließfächern auf sie.
»Toll, dass ich dich hier treffe!«, sagte sie und umarmte ihn freudig.
Er schmiegte seine Hand an ihre Wange, strich ihr mit dem Daumen eine Haarsträhne aus den Augen und hob ihr Kinn. Laurel lächelte in Vorfreude auf einen Kuss.
»Hi, Laurel.«
Als Laurel und David sich umdrehten, ging Tamani
vorbei und winkte. Er grinste – wahrscheinlich freute er sich, dass er die öffentliche Zurschaustellung ihrer Zuneigung erfolgreich gestört hatte. Laurel sah ihm nach und merkte, dass sie und David nicht die einzigen waren.
Yuki stand am anderen Ende des Ganges und sah ihn mit einem sonderbar versonnenen Gesichtsausdruck an.
»Komisch«, murmelte Laurel.
»Was du nicht sagst«, knurrte David, ohne Tamanis Rücken aus den Augen zu lassen.
»Ihn meine ich nicht«, sagte Laurel. »Yuki.«
David sah zu Yuki, die wieder in ihrem Schließfach kramte und einige Bücher herausholte.
»Was ist denn mit ihr?«
»Keine Ahnung. Sie hat ihn irgendwie merkwürdig angeguckt.« Laurel verzog das Gesicht. »Wahrscheinlich sollte ich auf sie zugehen – schließlich soll ich mich mit ihr anfreunden. Hübsches Wort für ›ausspionieren‹«, flüsterte sie.
David nickte, und Laurel drückte seine Hand, ehe sie losging, um Yuki anzusprechen. »Hey, Yuki!«, rief Laurel und wand sich innerlich, so künstlich klang ihre aufgesetzte Fröhlichkeit.
Als sie sah, wie Yuki den Kopf einzog, war ihr klar, dass sie den falschen Ton auch bemerkt hatte. »Hi«, antwortete sie höflich.
»Wir haben uns noch gar nicht richtig kennengelernt.« Laurel bemühte sich um einen sinnvollen Anfang. »Ich wollte mich nur vergewissern, dass du dich gut eingewöhnst.«
»Mir geht’s gut«, erwiderte Yuki schlecht gelaunt.
»Gut«, wiederholte Laurel und kam sich selten dämlich vor. »Sag mir Bescheid, wenn ich irgendwas für dich tun kann.«
Yukis Blick flammte auf. Sie machte einen Schritt zur Seite und zog Laurel aus dem Schülergewühl. »Hör mal, nur weil Klea dich um Hilfe gebeten hat, heißt das noch lange nicht, dass ich sie auch brauche.«
»Ich mache das gerne«, sagte
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