Elfenbann
darüber sprechen konnte.
»Das hört sich an, als hättest du deinen Standpunkt gut vertreten«, sagte ihre Mutter und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: »Habt ihr euch getrennt?«
»Nein!«, antwortete Laurel heftig.
»Das heißt, du bist immer noch glücklich mit ihm?«
»Ja! Er ist super. Vielleicht hatte er nur einen schlechten Tag. Deshalb trennt man sich doch nicht gleich. Er ist genervt wegen Tam … ani.« Seit er sogar in der Schule so genannt wurde, hatte sie sich an die Kurzform seines Namens gewöhnt.
»Aber für Tamani hast du auch etwas übrig?«
»Ich weiß nicht«, flüsterte Laurel. »Schon, aber es ist nicht so wie bei David.« Laurel legte den Kopf auf die Schulter ihrer Mutter. Jetzt war sie noch verwirrter als zuvor. »Ich liebe David. Er hat immer zu mir gehalten und mir bei allem geholfen.« Sie lachte. »Und wenn ich alles sage, weißt du, was ich meine.«
»Ja, ja, ich weiß«, erwiderte ihre Mutter mit einem schiefen Lächeln. »Aber in der Liebe muss man genauso an sich denken wie an den anderen. Man kann sich nicht dazu zwingen, jemanden zu lieben, nur weil man das Gefühl hat, man sollte es. Es reicht nicht, jemanden nur lieben zu wollen. «
Laurel sah ihre Mutter schockiert an. »Soll das heißen, du rätst mir, mit David Schluss zu machen?« Die Vorstellung machte ihr Angst.
»Nein, auf keinen Fall«, antwortete ihre Mutter. »Ich mag David. Tamani kenne ich ja gar nicht – was man übrigens vielleicht demnächst mal ändern könnte.« Sie legte ihre Hand auf die von Laurel. »Ich sage nur, dass du nicht aus den falschen Gründen mit ihm zusammenbleiben sollst, selbst wenn du es nur gut meinst. Du bist es niemandem schuldig, seine Freundin zu sein. Das ist deine Entscheidung, die du täglich von Neuem triffst.«
Laurel nickte bedächtig. »Ich liebe ihn, Mom.«
»Das weiß ich doch. Aber es gibt viele verschiedene Arten von Liebe.«
Zwölf
L aurel fühlte sich von ihrer Mutter ermutigt und beschloss, dass nichts dagegen spräche, Tamani zu sich einzuladen, unter Freunden eben. Deshalb rief sie ihn am Freitagabend zum ersten Mal auf seinem iPhone an und fragte ihn, ob er Samstag zu ihr kommen und mitforschen wolle. Und mit forschen meinte sie forschen . Ihre Mutter würde nicht zu Hause sein, um Tamani kennenzulernen – samstags war in ihrem Geschäft am meisten los –, aber ihr Vater. Für den Anfang war das nicht schlecht.
Als es schellte, rief Laurels Vater, dass er aufmachen würde. Auf dem Weg zur Tür konnte sie ihn nicht schlagen, da half nur eine gewisse Verzögerungstechnik. Sie warf noch einen Blick über die Schulter und betrachtete ihre Blüte im Spiegel. Sie war so schön – und vollständig – wie immer. Nachdem ein Ork ihr im vergangenen Jahr eine Handvoll Blütenblätter herausgerissen hatte, hatte sie sich Sorgen gemacht, ob die Blüte genauso wiederkommen würde. Zum Glück sah die neue Blüte nicht so aus, als hätte sie Schaden genommen. Sie war wie immer dunkelblau in der Mitte und blich dann zu den Spitzen aus, die beinahe weiß waren. Die Blütenblätter entfalteten sich zu einem Stern mit vier Zacken, der – selbst wenn sie inzwischen wusste, was es war – Flügeln ähnelte.
Manchmal, wenn sie ihr nicht gerade einen Schrecken einjagte oder im Weg war, liebte Laurel ihre Blüte.
Doch sie war ihr eindeutig im Weg, wenn sie ihrem Vater gleich Tamani vorstellen sollte.
Um ihre Nerven zu beruhigen, zupfte Laurel an ihrem grünen schulterfreien Top und strich ihre Caprihose glatt, bevor sie die Tür einen Spalt breit öffnete. Sie lauschte, bis sie von unten Tamanis sanften Akzent hörte. Es wäre eine Katastrophe gewesen, wenn sie in voller Blüte zur Tür geeilt wäre und doch nur ein geschwätziger Nachbar geklingelt hätte.
Sie dachte nicht zum ersten Mal an diesem Morgen daran, David anzurufen. Er hatte ihr am Vorabend eine E-Mail geschickt und sich noch mal entschuldigt, aber sie hatte nicht darauf reagiert. In Wirklichkeit wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Vor einer Stunde hatte sie sogar schon zum Telefon gegriffen und angefangen, seine Nummer zu wählen. Doch mitten in einem Experiment mit Tamani hatte sie weder die Zeit noch die Nerven, mit ihm über ihre Probleme zu reden, und sie wusste auch genau, dass sie sich nicht konzentrieren könnte, wenn David jetzt dazukäme und die Atmosphäre weiterhin so angespannt wäre. Ich rufe ihn sofort an, wenn Tamani gegangen ist , schwor sie sich selbst.
Als sie langsam die
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