Elfenbann
Luft und lachte. Gleichzeitig versuchte sie, mit den Handballen die Tränen wegzuwischen.
»Tut mir leid«, sagte sie, »das war dumm.«
»Was?«
Chelsea wehrte Laurels Besorgnis ab. »Mensch, du hast selbst so viel um die Ohren, da kannst du dich nicht auch noch mit meinen Problemchen rumschlagen.«
Laurel legte Chelsea beide Hände auf die Schultern und wartete, bis sie den Kopf hob und sie ansah. »Und wenn die Welt morgen unterginge, gäbe es trotzdem nichts Wichtigeres für mich, als mir deine Probleme anzuhören«, sagte Laurel mit fester Stimme. »Raus mit der Sprache.«
Chelsea standen schon wieder die Tränen in den Augen. Sie atmete tief ein und aus und rieb sich die geröteten Lider. »Ryan hat die Ergebnisse des Zulassungstests schon vor ein paar Wochen bekommen.«
»Oh nein, sind sie so schlecht?«
Chelsea schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil, sie sind ziemlich gut. Nicht so gut wie meine, aber nicht einmal David ist annähernd so gut ich.«
Laurel lächelte und verdrehte die Augen. »Und wo ist das Problem?«
»Ich war neulich in seinem Zimmer – er musste unten etwas mit seiner Mutter klären – egal, jedenfalls lag der Ausdruck auf seinem Schreibtisch. Und ich habe ein bisschen gespinxt und sein College-Profil gesehen und …« Sie zauderte. »Er hat seine Ergebnisse nicht nach Harvard geschickt.«
Harvard war für Chelsea die erste Wahl – sie wollte schon seit der Grundschule dorthin. Das wusste jeder. Wirklich jeder. »Vielleicht hat er eine Bewerbung zu viel eingereicht. Die Prüfer lassen nur vier zu, oder?«
»Er hat zwei losgeschickt«, antwortete Chelsea grimmig. »UCLA und Berkeley. Er hat also nicht einmal versucht, nach Harvard zu kommen – also, ich habe immer gewusst, dass wir vielleicht nicht am selben College landen, aber er hat gesagt, er würde sich wenigstens bewerben!«
Laurel wollte etwas Aufmunterndes sagen, aber was? Sie wusste noch, dass Chelsea ihr erzählt hatte, sie und Ryan hätten sich darauf geeinigt, sich gemeinsam in Harvard und an der UCLA zu bewerben und abzuwarten, wer wo genommen wurde. Anscheinend hatte Ryan seine Meinung geändert. »Hast du … ihn mal danach gefragt?«, rang sie sich schließlich ab. »Vielleicht wollte er nur nicht, dass seine Eltern mitbekommen, dass er sich in Harvard bewirbt. Du weißt, wie fordernd sein Vater sein kann.«
»Möglich.« Chelsea zuckte die Achseln.
»Frag ihn doch«, sagte Laurel. »Komm, ihr seid jetzt schon über ein Jahr zusammen. Da sollte man über solche Dinge reden können.«
»Vielleicht will ich es gar nicht wissen.« Chelsea sah Laurel nicht an.
»Chelsea!«, sagte Laurel grinsend. »Das aus deinem Mund, der ultimativen Vertreterin brutaler Wahrheiten!« Sie musste kichern. »Ultimativ. Ein Prüfungswort.«
Chelsea zog eine Augenbraue hoch. »Jetzt im Ernst. Wenn unsere Beziehung sowieso bald zu Ende ist, möchte ich vielleicht gar nicht wissen, seit wann er das schon plant. Und wenn er es nur tut, um keinen Ärger mit seinem Vater zu bekommen, wäre das doch eine schöne Überraschung.«
»Kann sein«, meinte Laurel. »Aber nagt das nicht an dir, wenn du es nicht weißt?«
Chelsea schnitt eine Grimasse. »Doch.«
»Dann frag.«
Sie schwiegen eine Weile, und Laurel staunte, wie gut sie sich von ihren eigenen Problemen ablenken konnte, indem sie über die von anderen nachdachte. Auch wenn es nicht lange anhielt.
»Hey, Chelsea«, sagte Laurel leise, als sie auf eine Idee kam. »Hast du heute schon was vor?«
»Jetzt, meinst du?«, fragte Chelsea und sah aus dem Fenster.
Laurel schaute auch nach draußen. »Wenn wir uns beeilen, bleibt uns eine Stunde.« Sie schlüpfte in ihre Sandalen.
»Äh, okay …«
Die Mädchen liefen die Treppe hinunter, und Chelsea rief ihrer Mutter zu, dass sie eine Stunde weg sein würde. Ihre Mutter schrie zurück, heute wäre Spaghetti-Abend
und sie sollte bitte pünktlich zum Abendessen nach Hause kommen. Laurel hatte in Chelseas Haus selten eine Unterhaltung erlebt, bei der nicht gebrüllt wurde. Kein wütendes Geschrei, sondern Gebrüll in einem Haushalt, in dem alle dauernd herumrasen und niemand sich zehn Sekunden Zeit nimmt, mit seiner Beschäftigung aufzuhören und nahe genug an die andere Person heranzugehen, um sich in Zimmerlautstärke zu unterhalten. Andererseits kam es ihnen in ihrer Familie mit drei Jungen unter zwölf wahrscheinlich wie Zimmerlautstärke vor.
»Und wo fahren wir jetzt hin?«, fragte Chelsea, als sie sich
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