Elfenblick
erhellte.
»Nimm.«
Mageli griff nach dem Stein, er fühlte sich glatt und kühl an. Auch in ihrer Hand leuchtete er unvermindert weiter. Ondulas zog einen zweiten Stein aus seinem Bündel hervor und brachte auch diesen zum Leuchten. Nun hatten sie so viel Licht, dass sie ihren Weg ungehindert fortsetzen konnten. Nur, wohin führte dieser Gang?
»Darf ich etwas sagen?«, flüsterte Mageli.
Ondulas lachte leise. »Ja, hier können wir wieder sprechen«, erklärte er dann in normaler Lautstärke.
»Wo sind wir, wohin gehen wir und was soll daran so gefährlich sein?«, sprudelte Mageli hervor, ohne sich von der Stelle zu rühren.
Ondulas lachte wieder. Auch wenn Mageli dieses Lachen mochte, wartete sie ungeduldig auf die Antworten.
»Wir befinden uns hier in einem geheimen Gang direkt unter Enigmala«, erklärte Ondulas. »Wir haben diesen Gang schon vor geraumer Zeit selbst angelegt. Für den Notfall sozusagen. Er führt uns aus Enigmala hinaus, ohne dass wir die Stadttore passieren müssen.«
»Aber warum benutzt ihr diesen Gang nicht häufiger?«, fiel Mageli ihm ins Wort. »Zum Beispiel um euch etwas zu essen zu besorgen?« Sie erinnerte sich gut daran, wie Ondulas über die schlechte Versorgung in der Elfenstadt geklagt hatte.
»Damit kommen wir zu Punkt drei deiner Frage: Auch wenn wir durch diesen Gang aus der Stadt gelangen, ohne gesehen zu werden, heißt das ja noch lange nicht, dass wir nicht erwischt werden, wenn wir den Gang wieder verlassen. Soweit wir das wissen, patrouillieren die Dunkelelfen in allen Tunneln und Höhlen in großem Radius um Enigmala herum.«
»Wohin gehen wir denn überhaupt? Wer ist diese Alawin? Und wo lebt sie?« Zu jeder Antwort fiel Mageli eine neue Frage ein.
Doch Ondulas drängte jetzt wieder vorwärts. »Wir sollten uns wirklich beeilen. Ich möchte diesen Weg so schnell wie möglich hinter mich bringen. Ich erkläre dir alles im Gehen, versprochen.« Damit drehte er Mageli sanft an den Schultern herum und schob sie vor sich her in den Gang hinein.
Der Tunnel war schmal, kaum breiter als Magelis Schultern, führte immer geradeaus und war so gleichmäßig in den felsigen Grund gebrochen, dass Mageli sich kaum auf ihre Schritte konzentrieren musste. Da sie mittlerweile wenigstens ein bisschen über elfische Magie Bescheid wusste, ging sie davon aus, dass Ondulas und seine Freunde den Gang nicht mühsam gegraben, sondern dem Fels mitgeteilt hatten, wie er sich formen sollte. Diese Formulierung hatte Ondulas zumindest in Bezug auf die Wurzeln verwendet, aus denen die Elfenstadt erbaut war. Während Mageli voranlief, lauschte sie gespannt Ondulas’ Erklärungen.
»Alawin ist eine der größten Magierinnen, die das Elfenvolk jemals hervorgebracht hat. Sie ist schon uralt, niemand weiß genau, wann sie eigentlich geboren wurde. Und sie war viele Jahre lang die engste Beraterin unseres Königs. Du kannst dir sicher denken, wem das gar nicht gepasst hat.«
Fürst Ferocius, schoss es Mageli durch den Kopf. Und als hätte er ihre Gedanken erraten, fuhr Ondulas fort: »Ferocius, genau. Der Schattenfürst intrigierte gegen die weise Alawin so bösartig und effektiv, dass der König sie schließlich verstieß. Alawin zog sich daraufhin vom gesamten Elfenvolk zurück. Sie floh aus Enigmala und suchte sich eine geheime Bleibe, in der sie niemand finden sollte, dem sie den Zugang nicht gestattete.«
»Aber ihr wisst, wo Alawin lebt«, mischte Mageli sich gespannt ein.
»So ist es.« Ondulas klang ein bisschen stolz. »Bevor sie verschwand, nahm Alawin Kontakt zu Rikjana auf. Du musst wissen, dass Rikjana einst Alawins Schülerin war, eine gute, glaube ich. Und Alawin vertraute Rikjana an, wohin sie gehen wollte.«
Der Gang machte eine sanfte Biegung, und Mageli wäre beinahe gegen die Wand gestolpert, so aufmerksam lauschte sie Ondulas’ Erzählung. Sie fluchte leise, und Ondulas lachte, wurde aber sofort wieder ernst.
»Alawin und Rikjana trafen eine Vereinbarung: Wir sollten sie informieren, wenn in Enigmala etwas Entscheidendes passierte, und sie würde uns Zuflucht gewähren, falls wir eines Tages fliehen müssten. Bisher ist allerdings keiner der beiden Fälle eingetreten.«
»Und woher kennst du dann den Weg?«, wandte Mageli skeptisch ein.
»Ich bin ihn noch nie gegangen«, gestand Ondulas. »Aber Rikjana hat ihn mir beschrieben. Wir müssen uns einfach auf unser Glück verlassen.«
Na großartig, dachte Mageli. In diesem Moment begann der Tunnel sacht anzusteigen,
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