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Elfenblick

Elfenblick

Titel: Elfenblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Lankers
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entdeckte einen Zettel, der direkt vor ihren Füßen auf dem Gehweg lag. Das Blatt war von einem der länglichen Blöcke abgerissen, die Kellner oft benutzten, um die Bestellungen zu notieren. Jemand hatte mit Kugelschreiber etwas daraufgeschrieben: Wer mehr weiß, ist klar im Vorteil , stand da in schnörkeliger Schrift. Mageli hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte. Trotzdem hob sie den Zettel auf, faltete ihn einmal und schob ihn in ihre hintere Hosentasche.
    Ohne auf eine Linie zu treten, erreichte sie das Krankenhaus. Ein Wunsch frei! Mageli lächelte, als sie durch die gläserne Schiebetür in die Eingangshalle der Klinik trat. Der typische Krankenhausgeruch nach Desinfektionsmittel schlug ihr entgegen. Sie versuchte, durch den Mund zu atmen, und blickte sich auf der Suche nach einer Orientierungshilfe um.
    Verwaltung, 2. Stock, Trakt A stand auf einem der Wegweiser vor den Aufzügen. Mageli nahm den Aufzug in den zweiten Stock und folgte der Beschilderung. Hinter einer breiten Glastür blieb sie vor einer grau gestrichenen Tür stehen, auf der ein Schild angebracht war: Verwaltung, Empfang. Bitte treten Sie einzeln ein. Da niemand zu sehen war, klopfte Mageli an und ging hinein.
    Hinter einer Holztheke saß eine Frau mit knallroten Strähnchen in ihrer hochgesprayten Kurzhaarfrisur. Ihr Lippenstift passte farblich zu den Strähnen, ebenso wie die Farbe ihrer perfekt manikürten langen Fingernägel, an denen sie nichtsdestotrotz ausgiebig feilte. Auf der Theke stand ein Schildchen, das die Frau als Erika Blumherr, Empfang und Sekretariat, vorstellte.
    »Entschuldigen Sie, bin ich hier richtig?«, fragte Mageli.
    »Das kommt ganz drauf an, was du willst.« Erika Blumherr blickte auf und musterte Mageli, als hätte diese sie bei einer äußerst wichtigen Tätigkeit unterbrochen.
    »Ich suche eine Akte«, erklärte Mageli.
    »Eine Akte, aha. Um was für eine Akte handelt es sich denn?«
    »Die von meiner Geburt.«
    Erika Blumherr lachte. Es klang ein bisschen schrill.
    »Wie alt bist du?«
    »Sechzehn.«
    »Soso, sechzehn. Tja, da kann man nichts machen, fürchte ich.«
    Mageli war nicht sicher, ob sich die Bemerkung auf ihr Alter oder auf ihr Anliegen bezog.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich meine, dass wir diese Akte nicht mehr haben. Zehn Jahre, länger müssen wir unsere Patientenakten nicht aufbewahren. Und dann: Schredder. Was glaubst du, wie das sonst in unserem Archiv aussähe. Würde ja überquellen. Mal abgesehen davon, dürfte ich dir die Akte ohnehin nicht geben. Ist ja eigentlich die von deiner Mutter. Und volljährig bist du auch noch nicht. Nee, nee, kannst du vergessen. Mal ganz davon abgesehen, dass wir sie eh nicht mehr haben.«
    Mageli stand unschlüssig da. Das hatte sie sich nicht so kompliziert vorgestellt.
    »Vielen Dank, tschüs«, sagte sie im Rausgehen. Aber Erika Blumherr war schon wieder eingehend mit ihren Fingernägeln beschäftigt.
    Mageli war bereits an der Glastür, als ihr noch etwas einfiel. Ohne anzuklopfen, riss sie noch einmal die graue Tür auf.
    Erika Blumherr blickte überrascht von ihren Nägeln hoch.
    »Eine Frage noch. Wo ist denn das Archiv?«
    »Im Keller, aber ich habe dir doch gesagt …« Bevor Frau Blumherr den Satz beenden konnte, war Mageli schon auf dem Weg zum Aufzug.
    Zwanzig Minuten später fuhr sie in den vierten Stock hoch. Zur Geburtsstation. In der Hand hielt sie den Zettel, den sie vorhin in die Hosentasche geschoben hatte, auf der Rückseite hatte sie drei Namen notiert. Es war ein Kinderspiel gewesen. Mageli dachte an die Linien zwischen den Gehwegplatten und grinste in sich hinein.
    Das Archiv befand sich direkt neben der Pathologie. Mageli wusste aus den Krimis im Fernsehen, dass in der Pathologie die Leichen aufbewahrt wurden. Rosann hätte das sicher gefallen, Mageli fand es eher gruselig. Schnell ging sie durch den weiß gekachelten Gang.
    Das Archiv wurde bewacht von Friedhelm Wächter, so stand es auf dem vergilbten Schild neben der Metalltür. Herr Wächter saß an seinem Schreibtisch, auf dem eine Leselampe brannte, in deren trübem Schein er ein Kreuzworträtsel löste. Gelangweilt blickte er hoch, doch sein Gesicht hellte sich sofort auf, als er sah, wer da vor seinem Schreibtisch stand.
    »Was kann ich für dich tun, Mädchen?« Friedhelm Wächter hustete. Es klang, als wäre die Schachtel Zigaretten, die neben ihm lag, nur die Hälfte seiner Tagesration.
    »Frau Blumherr schickt mich zu Ihnen. Ich soll eine Akte für sie

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