Elfenblick
hätte Mageli sie vielleicht nicht richtig verstanden. »Du wachst auf dem Fußboden auf, total fertig, du siehst aus wie Tod auf Urlaub, aber die Kratzer, die du eigentlich an den Armen haben müsstest, sind nicht da und deinem Knöchel geht es super.«
Mageli konnte sich gar nicht daran erinnern, Rosann davon erzählt zu haben.
»Ja, aber …«, versuchte sie, Rosann zu unterbrechen. Doch die ließ sich jetzt nicht mehr stoppen.
»Kein Aber, Süße. Es geht noch weiter. Das nächste Mal, als ihr euch trefft, hockst du schon wieder im Wald und bist eingepennt, als der Typ auftaucht. Woher, ist wieder nicht geklärt. Was mich aber weitaus mehr an der Geschichte stört, ist, dass er wieder einfach ohne einen Mucks verschwindet. Und du wachst auf und bist wieder allein.«
Mageli nickte, nur um Rosann zu verstehen zu geben, dass sie noch zuhörte, nicht etwa, um Zustimmung zu signalisieren.
»Über die letzte Nacht müssen wir wohl kaum noch reden. Nur die Eckdaten. Erin taucht bei dir auf, was eigentlich gar nicht möglich ist. Und verschwindet am Ende wieder, ohne sich zu verabschieden. Und du wachst auf und fragst dich, was passiert ist. Das klingt doch wirklich ziemlich unwahrscheinlich. Ach ja, und zwischendurch erzählt er dir noch, dass er ein Elf ist.«
Sie blickte Mageli bedeutungsvoll an.
»Was meinst du, können wir aus dieser erdrückenden Kette von Beweisen schließen?«
Rosann sollte Jura studieren, dachte Mageli. Sie würde sich richtig gut im Gerichtssaal machen, als Staranwältin, die den Vertreter der gegnerischen Seite an die Wand redet, bevor der auch nur ein einziges Wort rausgebracht hat.
»Hallo! Hat’s dir die Sprache verschlagen?« Rosann stupste Mageli leicht gegen den Fuß.
»Nicht schuldig«, antwortete Mageli verwirrt.
»Hat ja auch niemand behauptet. Für deine überschäumende Fantasie kannst du ja nichts. Ich sage nur, dass es Grenzen geben muss. Und wenn du anfängst, dir einen Freund einzubilden, den es gar nicht gibt, dann hast du definitiv eine solche Grenze überschritten!«
»Ich bilde mir nichts ein.« Mageli wurde jetzt doch ein bisschen sauer. Sie hatte ja damit gerechnet, dass Rosann ihr nicht glauben würde, aber deshalb musste sie sie doch nicht so angreifen.
»Okay, du bildest dir nichts ein.« Rosann zeigte sich diplomatisch. »Ich habe sowieso einen anderen Verdacht.«
»Nämlich?«, fragte Mageli skeptisch.
»Ich glaube, du hast das alles nur geträumt«, sagte Rosann, sichtlich stolz auf ihre Schlussfolgerung.
Du spinnst! , wollte Mageli Rosann anfahren. Aber dann hielt sie den Mund und dachte nach. Es kam ihr ja selbst komisch vor: Immer tauchte Erin auf, wenn sie gerade eingeschlafen war, und noch dazu an Orten an denen er logisch gesehen gar nicht sein dürfte. Und er erschien wie aus dem Nichts und verschwand genauso spurlos wieder. Das hatte er sogar selbst gesagt. War das jetzt ein Argument für oder gegen die Traumtheorie? Konnte jemand, den man sich nur erträumte, selbst Zweifel daran haben, dass in diesem Traum alles mit rechten Dingen zuging? Mageli schwirrte der Kopf. Das waren eindeutig zu viele Unklarheiten.
Rosann schien zu spüren, dass Mageli unsicher wurde. Sie ergriff ihre Hand und drückte sie fest.
»Süße, du musst aufhören, vom perfekten Mann zu träumen! Such dir lieber endlich einen Traumtyp in der Realität.«
Mageli schaute sie zweifelnd an. »Aber so einen wie Erin finde ich im Leben nicht noch mal.«
»Das ist ja genau der Punkt: Kein Kerl kann in der wirklichen Welt gegen deinen Traummann Erin bestehen! Das ist doch nicht mehr normal.«
»Ich bin halt nicht normal, will ich auch gar nicht sein«, sagte Mageli trotzig, aber ihr war bereits klar, dass sie die Diskussion verloren hatte.
»Du sollst ja auch nicht normal sein, zumindest nicht im Sinne von stinklangweilig. Aber so ein bisschen normal wäre schon ganz gut. Und sich in einen Typen zu verlieben, der nicht nur behauptet, ein Elf zu sein, sondern zudem auch gar nicht existiert, fällt auf der Nicht-mehr-normal-Skala eindeutig in die Kategorie geschlossene Anstalt.«
Mageli sagte lieber nichts mehr. Sonst hätte sie am Ende noch zugeben müssen, dass Rosann vielleicht recht hatte.
»Lass uns doch mal einen Blick auf die Alternativen werfen«, schlug Rosann versöhnlich vor. Mageli rang sich ein Lächeln ab. Sie hatte zwar überhaupt keine Lust, jetzt über andere Jungs nachzudenken, aber sie war froh, dass Rosann sich vom Thema Erin abwandte.
Rosann streckte
Weitere Kostenlose Bücher