Elfenblick
hören, dass Jost sich gut amüsierte. »Seit wann bist du denn unter Arrest?«
»Seit Dienstag.« Mageli unterschlug lieber auch ihre mehrfachen Verstöße gegen den Hausarrest.
»Du bist schon ein ganz armes Würstchen.« Jetzt lachte er laut. »Hör zu, gib mir mal deine Mutter, ich werde sehen, was ich für dich tun kann.«
»Danke, Paps.« Mageli wollte schon nach ihrer Mutter rufen, als ihr noch was einfiel. »Hab dich lieb, Paps.«
»Ich dich auch, Katastrophenengel.«
»Linda, Paps will dich noch mal sprechen.«
Mageli ging in die Küche, wo Linda an der Spüle stand und die bereits blitzblanke Oberfläche polierte. Ohne ein Wort ging ihre Mutter an ihr vorbei in den Flur, das gelbe Scheuertuch noch in der Hand.
Mageli machte sich eine große Schale Cornflakes zum Frühstück. Als sie zum Tisch ging, schwappte etwas Milch auf den Fußboden. Sofort war Shakespeare zur Stelle, um den Wischmopp zu spielen.
»Hallo, Shakespeare. Lange nicht gesehen. Hast du Hunger?«
Der Kater strich ihr maunzend um die Beine.
»Klar, wie immer. In manchen Dingen sind wir uns wirklich ähnlich«, sagte Mageli lachend und schüttete ihm eine weitere Pfütze Milch auf den Boden.
Shakespeare stürzte sich nicht sofort auf den Nachschub, sondern rieb zunächst seinen breiten Kopf an ihrem Schienbein.
»Bitte, gern geschehen.«
Mageli setzte sich auf die Eckbank an den Tisch und schob einen Fuß unter ihren Po. Obwohl die Sonne bereits in die Küche schien und ihr den Rücken wärmte, war es im Haus noch kühl und ihre nackten Füße waren vom Rumstehen auf den Fliesen im Flur eiskalt. Während sie ihre Cornflakes löffelte, versuchte sie etwas von dem Telefongespräch im Flur mitzubekommen. Allerdings schien das Telefonat recht einseitig zu verlaufen. Das Einzige, was Mageli gelegentlich verstehen konnte, war ein »Aber« oder ein »Jaja«.
»In Ordnung, dann bis spätestens Montag«, sagte Linda schließlich und hängte den Hörer ein. Als Mageli ihre Mutter in die Küche kommen hörte, blickte sie angestrengt in ihre Müslischüssel. Erst nachdem Linda sich zweimal geräuspert hatte, schaute Mageli zu ihr hoch.
»Dein Vater und ich sind der Meinung, dass dein Hausarrest jetzt lange genug gedauert hat«, sagte Linda.
Soso , dachte Mageli, ihre Mutter war also plötzlich auch dieser Meinung.
»Wenn du mir heute ein bisschen zur Hand gehst, kannst du morgen wieder unternehmen, was du möchtest«, fuhr Linda fort.
Klar, alles nur mit Einschränkung, das war typisch! Aber Mageli wusste, dass sie sich jetzt besser nicht beklagen sollte.
»Okay«, nuschelte sie zwischen zwei Löffeln Cornflakes.
»Das Haus muss picobello sein, wenn um drei die Damen zum Kaffee kommen«, erklärte Linda. »Und ich denke, da kannst du dich dann auch ein bisschen nützlich machen.«
Mageli verschluckte sich an einem Löffel voll Cornflakes. Kaffeekränzchen! Ausgerechnet heute, wenn sie sich halbwegs benehmen musste! Sie konnte sich schon gut vorstellen, wie das wieder ablaufen würde. Die Nachbarinnen, die sie mit arroganten Blicken musterten, und ihre Mutter, die sich mit gesenkter Stimme beklagte, wie schwierig und unzugänglich Mageli doch sei. Das würde ein langer Tag werden, so viel war schon mal klar!
»Okay«, krächzte Mageli und erstickte fast an einem heftigen Hustenanfall.
»Und dann?« Rosann hatte sich aufgesetzt und die Arme um ihre nackten Beine geschlungen. Sie starrte Mageli an, als wollte sie ihr die Worte am liebsten aus dem Mund ziehen.
»Und dann hat er mich geküsst.«
»Und dann?«
»Nichts und dann.« Mageli verzog genervt den Mund.
Rosann guckte ein bisschen enttäuscht, riss sich aber sofort wieder zusammen.
»Lass mich das noch mal kurz zusammenfassen: Der Typ taucht mitten in der Nacht unangemeldet in deinem Zimmer auf. Du hast keine Ahnung, wie er reingekommen ist. Er ist einfach plötzlich da und hockt in deinem ollen Sessel. Ihr redet, ihr haltet Händchen, ihr küsst euch … und das war’s? Bist du ganz sicher, dass du nichts vergessen hast?«
Mageli schloss die Augen und versuchte vergeblich, Rosann zu ignorieren. Die Sonne schien ihr herrlich warm auf den Bauch. In ihrem Rücken konnte sie das weiche Gras spüren. Sie hörte den Bach leise rauschen und die Vögel in den Bäumen lautstark zwitschern, als hätten sie auch einen riesigen Spaß an diesem perfekten Sommertag.
Die Freundinnen waren vormittags aufgebrochen, einen gut gefüllten Rucksack mit Verpflegung im Gepäck. Als sie die
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