Elfenblick
Lichtung erreichten, war es bereits so warm, dass sie schnell alle Klamotten auszogen und sich nur in ihren Bikinis ins Gras warfen. Mittlerweile schien die Sonne senkrecht auf sie hinunter und Mageli fühlte sich wie ein Grillhähnchen. Rosanns Körper hatte schon eine ungesunde Rötung angenommen, Magelis helle Haut hingegen war so blass wie immer.
Es war wie eine Laune des Schicksals: Ihre helle, fast weiße Haut wurde unter Sonnenbestrahlung niemals schön braun, aber auch niemals rot. Eigentlich hatte sie das ganze Jahr über die gleiche Hautfarbe. Blass!
»Liebe und Logik sind wie Sonne und Mond. Wenn das eine Gestirn aufgeht, geht das andere unter.«
Mageli blinzelte müde mit einem Auge.
»Cicero, Römer .«
Mageli klappte das Auge wieder zu.
»He, hallo. Ich warte.«
»Es ist ein bisschen komplizierter«, versuchte Mageli auszuweichen.
»Ich hatte nichts anderes erwartet.« Rosann ließ nicht locker.
»Und ich schätze, du erklärst mich für verrückt, wenn ich es dir erzähle.«
»Zu spät, Süße, das ist längst passiert.«
Mageli setzte sich in den Schneidersitz. Für dieses Gespräch wollte sie lieber mit Rosann auf Augenhöhe sein.
»Erin ist nicht wie die anderen Jungs.« Mageli druckste herum.
»Ich hatte nichts anderes erwartet.«
»Du wiederholst dich.«
»Lenk nicht ab.«
»Also«, Mageli holte tief Luft und redete dann möglichst schnell weiter. »Erin ist ein Elf. Er kommt aus dem Dunklen Reich. Sein Vater ist dort der König. Und wir haben beide keine Ahnung, wie es passieren kann, dass wir uns hier immer wieder über den Weg laufen.«
Es kam nicht oft vor, dass irgendetwas Rosann sprachlos machte. Jetzt war einer dieser seltenen Augenblicke. Mit einem Gesichtsausdruck, als hätte sie eine Erscheinung, starrte sie Mageli stumm an. So lange, dass es Mageli ganz ungemütlich wurde. Schließlich schüttelte Rosann entsetzt den Kopf.
»Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass es dir gelingen würde, mich zu verblüffen. Ich hätte wirklich gedacht, dass ich von dir genug gewöhnt bin, damit du mich nicht mehr in Erstaunen versetzen kannst. Ich habe mich geirrt.« Wenn Rosann nicht genau wusste, was sie sagen sollte, fing sie immer an, so geschwollen zu reden.
Dann sagte sie wieder eine ganze Zeit lang gar nichts und Mageli blickte stur auf ihre Hände.
»Du musst mit dem Quatsch aufhören«, sagte Rosann plötzlich. Ihr Gesichtsausdruck war ernst, und sie kaute auf ihrem Lippenpiercing herum, als wollte sie noch viel mehr sagen, wüsste aber nicht, wie sie es formulieren sollte. Man konnte die Ansätze von Rosanns Grübchen sogar erkennen, wenn sie so ernst schaute. Winzige Dellen in ihren Wangen, die Mageli sofort an das Grübchen in Erins Kinn erinnerten.
Sie hätte sich denken können, dass Rosann so reagieren würde. Mageli hatte schon geahnt, dass ihre Freundin Erin als eine von ihren Spinnereien abtun würde. Deswegen hatte sie gezögert, Rosann die ganze Geschichte zu erzählen.
»Das ist kein Quatsch«, versuchte sie sich zu verteidigen und hörte selbst, dass es ein bisschen halbherzig klang. Aber ihre eigenen Zweifel wollte sie Rosann nicht auch noch auf die Nase binden.
»Dann lass uns noch mal wiederholen, was bisher passiert ist, immer wenn du Erin getroffen hast.«
Mageli zuckte mit den Achseln. »Okay.«
»Das erste Mal«, fing Rosann an, »rennst du mitten in der Nacht im Wald rum. Zwei Typen verfolgen dich, was ich ehrlich gesagt schon etwas merkwürdig finde. Ich meine, wo kommen mitten in der Nacht diese beiden Kerle her, die dir dann auch noch gleich an den Kragen beziehungsweise ans Höschen wollen? Dann rettest du dich zur Lichtung, und ausgerechnet hier taucht Erin auf. Wie kommt der bitte schön mitten in der Nacht genau auf die Lichtung, auf der zwei Idioten, von denen wir auch schon nicht so genau wissen, wo sie eigentlich hergekommen sind, gerade versuchen, dir etwas anzutun?«
Mageli zuckte nur erneut mit den Achseln und Rosann fuhr aufgeregt fort.
»Dein Traumtyp macht beide Kerle platt. Gut, sagen wir mal, der kann Karate.«
»Das war kein Karate«, warf Mageli leise ein. Rosann überging die Bemerkung einfach.
»Trotzdem ist das schon ziemlich verwunderlich. Und dann quatscht ihr nett, mitten in der Nacht auf der Lichtung wohlgemerkt. Er sagt, er bringt dich nach Hause …«
Rosann legte eine Kunstpause ein. »Und danach erinnerst du dich an nichts mehr«, schloss Rosann und betonte jedes einzelne Wort. »An nichts«, wiederholte sie, als
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